„Es hat keinen Sinn, auf Touristen zu warten“
„Ich habe seit heute Morgen keinen einzigen Kunden gehabt“, klagt der Besitzer eines Schmuckgeschäftes, dessen Name Chamis lautet, zu Deutsch „Fünf“: Er ist das fünfte Kind seiner Eltern. Er überlege, sagt er, den Schmuckverkauf aufzugeben und stattdessen Waren für die lokale palästinensische Bevölkerung anzubieten. „Es hat keinen Sinn, auf die Touristen zu warten.“
Einige Schritte weiter führt eine offene Glastür in den Verkaufsraum der „Fair Trade Women Cooperative“, einer palästinensischen Nichtregierungsorganisation. Angeboten werden hier Gewänder, Tischdecken und Kissenbezüge, verziert mit traditionellen palästinensischen Stickereien in Rot und Schwarz, angefertigt von Frauen im Westjordanland, die sich damit ein kleines Einkommen verdienen. Auch sie habe seit dem Morgen noch keinen einzigen Kunden gehabt, berichtet frustriert die Verkäuferin, die ihren Namen nicht nennen möchte. Sie erklärt ihre Zurückhaltung so: Ausländische Reporter hätten sie einmal gegen ihren Willen mit politischen Aussagen zitiert. „Wir haben im Moment kaum Aufträge für die Frauen“, seufzt sie. „Die Arbeit, die wir früher einer einzigen Frau gegeben hätten, müssen wir jetzt unter sieben oder acht Frauen aufteilen.“
Symbole von Christen, Muslimen und Juden im Laden
Zurück in der Patisserie: Bei Abu Seir haben sich inzwischen mehrere Kunden eingefunden. An niedrigen Tischen sitzen sie draußen vor dem Geschäft und wärmen sich die Hände an ihren Kaffeetassen: ein Mann und eine Frau, die sich leise auf Hebräisch unterhalten; zwei junge Mädchen, die auf Arabisch miteinander plaudern.
Drinnen, an der Wand hinter der Theke, hängt ein Kreuz aus Holz mit fein geschnitzten Verzierungen. Es läge nahe, zu vermuten, es handele sich um ein von Christen geführtes Geschäft. Doch der Bäcker Ibrahim Abu Seir ist Muslim. Weiter rechts an der Wand, eher unauffällig neben einem Schrank platziert, hängt das gerahmte Bild einer verschnörkelten Koransure.
„Unser Problem sind die, die sich für Helfer Gottes halten“
„Und da“, sagt Abu Seir und zeigt auf eine stilisierte Hand aus verschnörkelten Metallstreben, „habe ich die jüdische Hamsa.“ Die Hamsa, die vor bösen Blicken schützen soll, ist zwar kein rein jüdisches Symbol, aber in der Tat beliebt in orientalischen jüdischen Gemeinden. Die Botschaft seiner Wanddekoration ist offensichtlich: Hier, in dieser kleinen, nach Kaffee und Christstollen duftenden Oase, soll auch in Zeiten der Krise jeder willkommen sein.
„Ich glaube, Religion ist eine Sache zwischen Mensch und Gott“, sagt Abu Seir. „Es ist nicht wichtig, welche Religion du hast – glaubst du an Gott, ist das genug. Unser Problem sind diejenigen, die sich selbst zu den Helfern Gottes erklären und über andere Menschen entscheiden wollen.“