Civi-Hearts Kronach Hilfe, die von Herzen kommt

Die Civi-Hearts engagieren sich ehrenamtlich für Menschen in Not. Zurzeit sind das vor allem Geflüchtete aus der Ukraine. Doch dabei soll es nicht bleiben.

 
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Alles hat am Abend des 4. März 2022 begonnen: Thomas Gehring und seine Tochter Annika saßen gemeinsam zu Hause vor dem Fernseher. Gezeigt wurden – einmal mehr – dramatische Bilder von geflüchteten Menschen aus der Ukraine an den polnischen Grenzen. „In diesem Moment war uns klar, dass wir jetzt sofort handeln und helfen müssen“, erinnert sich Thomas Gehring. Kurzerhand packten die beiden ein paar Kissen und Decken sowie zwei Kannen starken Kaffee ein, setzten sich in ihren Kleinbus und machten sich auf den Weg nach Polen. Das genaue Ziel: unbekannt. Nach einer langen Fahrt, vielen Telefonaten und wenig Schlaf erreichten sie am nächsten Morgen den Bahnhof in Breslau. Mit einem handgeschriebenen Zettel versuchten sie, den dortigen Helfern zu verstehen zu geben, dass sie helfen und Menschen nach Deutschland bringen möchten. Das war der Beginn der privaten Hilfscommunity „Civi-Hearts“.

Nacht-und-Nebel-Aktion

Was mit dieser Zwei-Mann-Nacht-und-Nebel-Aktion begann, ist inzwischen eine gut strukturierte Organisation aus etwa 60 bis 70 aktiven Ehrenamtlichen geworden – zum Großteil kommen sie aus dem Landkreis Kronach. Zusätzlich helfen viele weitere Menschen durch verschiedenste Sach- und Geldspenden. Um die 20 Fahrten haben die Civi-Hearts inzwischen laut Thomas Gehring unternommen, zumeist nach Breslau. Dort sei man sehr gut organisiert, die ankommenden Hilfsgüter würden auf sechs verschiedene Länder verteilt. Auf dem Rückweg nehmen die Civi-Hearts geflüchtete Menschen mit nach Deutschland. „Wichtig ist, dass wir sie immer ganz offiziell an ihrem Bestimmungsort übergeben“, erzählt er. So stelle man sicher, dass man nicht Schleuserbanden auf den Leim gehe. Generell pflege man einen engen Kontakt mit verschiedensten Behörden. Seit Kurzem unterstütze auch der Kronacher ASB die Civi-Hearts und ermögliche Transporte von Behinderten.

Tragische Schicksale

„Am Bahnhof in Breslau ist alles ganz ruhig, fast wie in Trance“, erzählt Thomas Gehring. Nichts sei hysterisch, wie es in manchen Medienberichten dargestellt werde. „Die Leute sind einfach dort und warten, teilweise rühren sie sich tagelang nicht vom Fleck. Sie sind traumatisiert. Zumeist sind es Mütter mit Kindern“, sagt er. Deswegen sei es auch wichtig, dass immer mindestens eine Frau aus Deutschland mit im Auto sei – die ukrainischen Frauen hätten sonst oft Angst, einzusteigen. „Idealerweise ist auch jemand dabei, der übersetzen kann“, führt er aus. Davon abgesehen sei der Google-Übersetzer so ziemlich das wichtigste Werkzeug im Alltag der Civi-Hearts. Als Helfer bekomme man teilweise auch sehr tragische, persönliche Schicksale mit, die mitunter nur schwer zu verkraften seien. „Man verarbeitet aber immer erst am Tag danach. In dem Moment funktioniert man einfach zur“, erzählt Klaus Haberkorn, einer der ehrenamtlichen Fahrer.

Hilfe fernab der Massenströme

Immer dienstagabends treffen sich die Civi-Hearts zur Besprechung. „Wir bekommen von verschiedenen Orten in Polen gemeldet, was dort benötigt wird. Das tragen wir dann zusammen und schauen, was davon möglich ist“, erklärt Thomas Gehring. Oft seien es Dinge, an die man vielleicht nicht im ersten Moment denken würde. So habe man zum Beispiel einmal 300 Flipflops geliefert, da die Frauen nur Winterschuhe hatten, in denen sie nicht duschen konnten. „Wir helfen häufig fernab der Massenströme“, sagt er. Bis Freitag werde dann alles organisiert: Spenden, Fahrzeuge sowie Fahrer. Freitagnachmittags ab 15 Uhr treffen sich die Ehrenamtlichen schließlich in ihren Räumlichkeiten auf dem Kronacher Loewe-Areal, um die Spenden zu sortieren und zu verpacken. Die Kartons werden in fünf verschiedenen Sprachen beschriftet und zusätzlich mit Bildern versehen. Samstags oder sonntags erfolgt dann die Auslieferung.

Hilfe zur Selbsthilfe

Freitagnachmittags sind jedoch nicht nur die Civi-Hearts auf dem Loewe-Areal: Gleichzeitig findet ein Stammtisch statt, zu dem alle Geflüchteten aus der Ukraine herzlich eingeladen sind. „Wenn sie möchten, können sie beim Packen helfen. Wir leisten also auch Inklusionsarbeit“, erklärt Thomas Gehring. Er habe festgestellt, dass es den Menschen am meisten helfe, wenn man ihnen die Möglichkeit gebe, ihre Landsleute selbst zu unterstützen.

Dabei betont er, dass es nicht die Absicht der Civi-Hearts sei, die Ukrainer einzudeutschen. „Man muss verstehen, dass das Europäer sind, die aus einer Notlage geflüchtet sind und wieder zurückwollen. Das ist nicht wie bei Asylbewerbern, die hierbleiben möchten“, führt er aus. Deshalb werde auch grundsätzlich in Englisch gesprochen – zumal das die Weltfriedenssprache sei.

Hilfe für alle Menschen

Der Grundgedanke der Civi-Hearts sei, alle Menschen gleichzubehandeln. Natürlich liege der Fokus zurzeit auf der Ukraine. „Wir haben aber auch schon russischen Lasterfahrern Essen gebracht, wenn sie irgendwo gestrandet sind, weil ihre Kreditkarten aufgrund der Sanktionen gegen Russland gesperrt waren und sie nicht mehr tanken konnten“, sagt Thomas Gehring. Auch das seien Menschen in Not. Derzeit bereite man eine Vereinsgründung vor. „Wir sind zwar im Zuge der Ukraine-Krise entstanden, wollen aber eine nachhaltige, zivile Hilfsorganisation werden“, führt er aus. Die Idee sei, die Strukturen bei Bedarf jederzeit schnell hochfahren und helfen zu können – beispielsweise auch bei Ereignissen wie der Flutkatastrophe im Ahrtal im vergangenen Jahr.

Unterstützung von der Stadt

Unterstützt werden die Civi-Hearts von der Stadt Kronach – insbesondere dadurch, dass ihnen die Räumlichkeiten auf dem Loewe-Areal bis auf Weiteres kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. „Als Bürgermeisterin freue ich mich über alle Initiativen von unterschiedlichen Vereinen und Gruppen, die der Unterstützung der Flüchtlinge dienen und danke sehr herzlich dafür, dass sie die Initiative ergreifen und unkompliziert und wirkungsvoll helfen“, sagt Rathauschefin Angela Hofmann (CSU). Sie sei selbst bereits zu einem der Treffen der Civi-Hearts eingeladen gewesen und habe sich dabei einen Eindruck von ihrer Arbeit verschafft.

Zügig, unaufgeregt und professionell

„Die Civi-Hearts haben kurz nach Kriegsbeginn ihre Arbeit begonnen, in kurzer Zeit Kontakt zu Hilfsorganisationen aufgenommen und eine gut funktionierende Logistik aufgebaut“, lobt Angela Hofmann. Sie arbeiteten nur mit offiziellen Organisationen zusammen und nähmen keine entlohnten Aufträge entgegen. Somit würden andere Hilfsorganisationen entlastet. „Die Civi-Hearts arbeiten zügig, unaufgeregt und professionell. Die Organisation ist super und das Team ist mit viel Engagement und Freude für die Aufgabe dabei“, ist die Bürgermeisterin beeindruckt. Ihr selbst sei es leider nicht möglich, sich durch ehrenamtliche Arbeit einzubringen. Falls weitere Unterstützung seitens der Stadt nötig werden sollte und sie entsprechende Anfragen erreichten, sei sie aber jederzeit gerne bereit, zu vermitteln und zu helfen.

Infos und Kontakt
Wer die Civi-Hearts als aktives Mitglied oder durch Spenden unterstützten möchte, findet alle Informationen dazu im Internet unter https://www.beonway.world/civihearts oder unter der Telefonnummer 09261/5523643.

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