Coburg Am Ziel

Wichtiger Faktor in der Aufstiegsmannschaft des HSC 2000 Coburg: Kapitän Sebastian Weber. Foto: Henning Rosenbusch

Sebastian Weber beendet als Bundesliga-Aufsteiger seine Profilaufbahn. Der Kapitän des HSC blickt zurück auf eine erfolgreiche Karriere und freut sich auf die Zukunft - als Lehrer in der Grundschule.

 
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Coburg - Es geht nicht mehr anders. Am Dienstagmittag vergangener Woche gibt die Handball-Bundesliga (HBL) bekannt, aufgrund der Corona-Krise die laufende Spielzeit der Profiligen vorzeitig zu beenden. In der Mitteilung auf der Verbandshomepage nennt Liga-Präsident Uwe Schwenker den Abbruch der Saison "sehr bitter, aber alternativlos". Zu dieser Zeit schaltet sich das Team des HSC 2000 Coburg zu einer Telefonkonferenz zusammen. Was wird verkündet? Steigen wir auf? Wird die Saison vielleicht doch noch zu Ende gespielt? Wenn ja, unter welchen Bedingungen? Fragen über Fragen, die sich der Spitzenreiter der 2. Handball-Bundesliga stellt. Daher wird die Mitteilung der HBL mit Spannung erwartet. Einer hat jedoch keine Zeit, um zum Telefonhörer zu greifen: Sebastian Weber.

Der Kapitän holt an diesem Mittag Töchterchen Ylvie von der Tagesmutter ab, verpasst die historische Entscheidung der HBL, die den HSC 2000 zum Corona-Meister und zugleich Aufsteiger in die stärkste Liga der Welt macht. "Konsti (Anm. d. Red.: Torhüter Konstantin Poltrum) hat mich gleich angerufen und mich informiert", erzählt Weber. Sofort wird ihm klar: Das war‘s. Eine lange, höchst erfolgreiche Karriere findet so ihr Ende.

Rückblick: Ende November 2019 gibt der HSC bekannt, dass Sebastian Weber nach der laufenden Saison seine Profilaufbahn beenden wird. "Es wäre ein Traum zum Abschied auf dem Balkon des Coburger Rathauses stehen zu dürfen", wird der gebürtige Mittelhesse damals in der Klubnachricht zitiert. Der Aufstieg als großes Ziel zum Schluss, das ist es, was den 33-Jährigen antreibt. Und nun? Wie fühlt sich der Corona-Titel an? "Das Ziel ist erreicht, nur den Weg dahin hätten wir alle lieber anders gewählt."

Emotionale Momente

Klar, der HSC hätte gerne auf der Platte für die Entscheidung im Aufstiegsrennen sorgen wollen, sportlich und nicht am grünen Tisch. Der Spielplan sah zudem ein echtes Highlight zum Schluss vor. Letzter Spieltag, Coburg gegen Essen, HUK-Arena. Es wäre vermutlich die Partie Erster gegen Zweiter geworden. "Das wäre das letzte Spiel meiner Karriere gewesen. Das war eine Riesenmotivation für mich. Diese emotionalen Momente schweißen einen zusammen", sagt der Kreisläufer, "solche Momente kann man nicht nachholen." Diese nun nicht erleben zu dürfen, sei "sehr, sehr schade".

Im Sommer 2016 wechselt er aus Wetzlar nach Coburg. Der HSC überschreibt die Pressemitteilung im März desselben Jahres zur Verpflichtung des Kreisspielers mit "Gestandener Bundesligahandballer kommt in die Vestestadt". Bereits 2005 steht der damals 19-Jährige im Erstligakader der HSG Wetzlar, sammelt Erfahrungen auf höchstem Niveau. 2010 schließt er sich Zweitligist Hüttenberg an, schafft ein Jahr später den Aufstieg in die erste Liga. 2013 kehrt er nach Wetzlar zurück, ehe er sich drei Jahre später für den Schritt nach Coburg entscheidet und mit den Gelb-Schwarzen ein Jahr im Handball-Oberhaus verbringt. Insgesamt 409 Mal steht "Sebbl", wie er von den HSC-Fans genannt wird, in den beiden höchsten deutschen Spielklassen auf der Platte, wirft insgesamt 751 Tore. "Diese 15 Jahre, die ich erleben durfte, dürfen nicht viele erleben. Es wird einem klar, dass es schon eine ziemlich krasse Nummer war", sagt er.

Viele talentierte Jugendspieler träumen von einer Karriere als Profi, nur ein Bruchteil schafft letztlich den Sprung. Weber nennt es ein "Riesenprivileg", den Sport so lange als Beruf ausüben zu dürfen. Früh zeichnet sich ab, dass er gut ist, richtig gut sogar. Mit der B-Jugend der HSG Dutenhofen/Münchholzhausen gewinnt er 2002 die deutsche Meisterschaft. Trainer damals: ein gewisser Jan Gorr. Mit der deutschen U 20-Auswahl wird er 2006 Europameister, ein Jahr später mit der U 21 Vize-Weltmeister. Es folgt eine Profilaufbahn, die nun zu Ende geht.

Neue Perspektive

Ende Juni läuft Webers Vertrag beim HSC aus. Danach wird sein Lebensmittelpunkt Gießen in Hessen sein. Zusammen mit seiner Freundin Anna und der neuneinhalb Monate alten Tochter Ylvie. "Anna ist im Praktischen Jahr, nächstes Jahr will sie ihr Medizinstudium abschließen und ich suche aktuell ein WG-Zimmer in Bamberg", berichtet Sebastian Weber. Dort studiert er Grundschullehramt und wird daher wohl einige Tage in der Woche in der Domstadt verbringen. In zwei bis drei Jahren, so schätzt er, könnte er fertig sein. "Jetzt zählt das Studium, weil ich unglaublich gerne Lehrer werden möchte." Außerdem sehnt sich der 1,90-Meter-Mann nach mehr Zeit mit seiner Tochter. "Ich freue mich darauf, mehr Papa sein zu können. Vor allem an Wochenenden mit Auswärtsspielen ist leider wenig Zeit geblieben."

So ganz ohne Handball wird es aber auch zukünftig nicht gehen. Sebastian Weber möchte beim Deutschen Handball-Bund (DHB) in Hennef eine Trainer-Kurzausbildung machen. Diese Möglichkeit gibt es für langjährige Profis. Obwohl für den Noch-Kapitän des HSC 2000 in Zukunft also einiges ansteht, wird er weiterhin verfolgen, was seine Coburger in Liga eins so treiben. "Wenn ich in Bamberg bin und es zeitlich passt, komme ich gerne vorbei", verspricht er, hat aber auch das emotionsgeladene Derby in Erlangen im Blick oder Auswärtsspiele des HSC gegen hessische Teams wie Wetzlar oder Melsungen.

Hoffen auf die Party

Webers Ziel, sich mit dem Aufstieg aus der Vestestadt zu verabschieden, ist geschafft. Doch es fehlt noch etwas: die dazugehörige Feier. Virtuell hat sie zwar stattgefunden, , doch "diese Nähe und Emotionalität bekommt man nur bedingt hin", gibt er zu und hofft noch auf eine reale Party mit Teams, Verantwortlichen und Fans. Dann würde er ein letztes Mal - ganz standesgemäß als Kapitän - vorangehen, ehe er in sein neues Leben startet.

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