Coburg "Die Situation ist für uns alle hart"

Aufsteiger Coburg steht nach acht Spieltagen in der Bundesliga noch ohne Punkt da. HSC-Geschäftsführer Jan Gorr glaubt an die Wende und nennt in Corona-Zeiten das wirtschaftliche Überleben als oberste Priorität.

 
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Coburg - Während die direkten Konkurrenten im Tabellenkeller der Handball-Bundesliga nach dem Eichhörnchen-Prinzip bereits den einen oder anderen Punkt gesammelt haben, steht Aufsteiger HSC 2000 Coburg als Schlusslicht noch blank da. Am vergangenen Samstag kam die Mannschaft von Trainer Alois Mráz beim THW Kiel unter die Räder. Wie Geschäftsführer Jan Gorr die Lage nach absolvierten acht von 38 Spieltagen einschätzt, erläutert er im Interview mit der "Neuen Presse".

Herr Gorr, wie haben Sie den Ostsee-Sturm, in den der HSC 2000 bei der 26:41-Niederlage beim THW Kiel geraten ist, verdaut?

Nun ja, ich verliere ungern und schon gar nicht gerne in dieser schwindelerregenden Höhe. Aber man muss ja auch den Tatsachen ins Auge schauen: Wir haben nicht nur gegen den Deutschen Meister gespielt, sondern wir hatten mit den dann vier ausgefallenen Stammspielern ( Anm. d. Red.: Pouya Norouzi Nezhad, Draško Nenadi c, Jakob Knauer und Pontus Zetterman) große Sorgen. Umso schöner war es dann aber für unsere Youngster, vor allem in der zweiten Spielhälfte in der altehrwürdigen Kieler Arena auf dem Platz zu stehen und sich mit den stärksten Spielern der Welt zu messen.

Wie fällt Ihr sportliches Fazit nach mittlerweile acht Spielen und noch keinem Punkt auf dem Konto aus?

Hier müssen wir nicht um den heißen Brei herumreden: Die Ausbeute bis jetzt ist mager und ich persönlich hätte mir neben einem Heimsieg gegen Nordhorn auch noch eine positive Überraschung in einer anderen Partie gewünscht. Das sieht aber unser Team genauso und deswegen arbeiten Mannschaft und Trainer auch mit Hochdruck daran, die noch fehlenden Prozente in der Spielleistung herauszukitzeln. Wir haben jetzt noch ein paar richtig anspruchsvolle Spiele vor der Brust und das heißt, dass jeder Punkt aus diesen Partien ein richtig wertvoller wäre.

Wie nehmen Sie die Stimmung in der Mannschaft und im Verein aktuell wahr? Bekommen Sie Resonanz auch aus den Reihen der Fans, die momentan nicht in die Halle dürfen?

Die Gesamtsituation ist für uns alle hart. Neben der Tatsache, dass es auch für unser Team mental extrem fordernd ist, mit den vielen Niederlagen umzugehen und trotzdem weiter den Kopf oben zu behalten, vermissen wir unsere Zuschauer. Und umgekehrt ist das genauso. Wenn ich sehe, wieviele Fans sich immer wieder melden und von zu Hause der Mannschaft den Rücken stärken, dann ist das beeindruckend. Aktuell haben wir eine Aktion, bei der Kinder unser Team durch selbst gemalte Bilder unterstützen. Sie glauben nicht, was für tolle Bilder dabei herausgekommen sind. Wir würden gerne die tollen Erlebnisse in der 1. Liga mit unseren Fans teilen, aber das geht momentan nur auf anderen Wegen. Dafür lassen wir uns immer wieder neue Aktionen und Beiträge einfallen und setzen darauf, dass die Zeit des Verzichts bald vorüber geht.

Gibt es im Programm bis zum Jahresende noch Begegnungen, die Sie in die Kategorie "Pflichtsieg" einordnen würden?

Zuallererst muss man festhalten, dass es für uns in der 1. Liga leider keine sogenannten Pflichtsiege gibt. Aber es gibt direkte Duelle mit Mannschaften, die ebenfalls um den Ligaerhalt kämpfen. Und da warten unmittelbar vor Weihnachten die Spiele gegen Essen und Friesenheim. Die sind absolut richtungweisend. Aber auch in den Spielen davor geht es um wichtige Punkte. Und in mindestens einem dieser Spiele wollen wir uns die Nordhorn-Zähler zurückholen.

Liegt es vor allem am Verletzungspech, das dem HSC auch in dieser Saison wieder zu schaffen macht, oder ist das Potenzial der Mannschaft nicht groß genug, um im Oberhaus zu bestehen?

Die Personalsorgen spielen natürlich eine Rolle. Wenn wir in der stärksten Liga der Welt als Aufsteiger bestehen wollen, hilft natürlich ein kompletter Kader. Unsere Mannschaft hat gerade in Hannover oder auch zu Hause gegen Magdeburg gezeigt, dass viel Qualität in ihr steckt und sie auch nominell bessere Teams gefährden kann. Wichtig oder sagen wir lieber unerlässlich dafür ist, dass wir als Mannschaft am oberen Limit spielen. Und dazu gehört auch mehr Konstanz in den Spielleistungen der erfahrenen Akteure. Das beständig und verlässlich abzurufen muss unser nächstes Ziel sein.

Wie sind Sie mit den Neuzugängen und den nachrückenden Talenten zufrieden? Erfüllen Sie Ihre Erwartungen?

Die jungen Leute haben schon extrem viele Spielanteile erhalten. Für ihre Entwicklung ist das prima, es zeigt aber auch unsere angespannte Personalsituation. Was die neuen Jungs anbetrifft, so haben wir bei Pouya schon oft seine besondere individuelle Klasse gesehen. Draško ist momentan verletzt, kann uns aber sicher noch mehr helfen als er bis jetzt in den Spielen gezeigt hat. Er ist kein typischer Torjäger, aber er hat ein sehr gutes Auge für den Nebenmann und unglaublich viel Erfahrung, was uns gerade in der Abwehr wahnsinnig hilft.

Es wird öffentlich spekuliert, dass Sie personell nachrüsten und in Kürze einen neuen Rückraumspieler verpflichten werden. Ist das Ihr Plan?

Ich habe schon seit Längerem gesagt, dass wir die Augen offen halten. Nach der Verletzung von Jakob wäre alles andere auch fahrlässig. Wir haben uns zuletzt erneut zusammengesetzt und wollen gerne unserem Team und unserem Trainer noch einmal personell helfen. Wann und wie das gelingt, können wir hoffentlich schon in Kürze vermelden. Die Situation spitzt sich für uns nämlich zu. In Kiel hat auch Pontus eine schwere Oberschenkelprellung erlitten, sodass wir aktuell ohne nominellen Spieler im rechten Rückraum dastehen. Sein Einsatz am Sonntag hängt am seidenen Faden.

Ihr Nachfolger als Trainer, Alois Mráz, hat keinen leichten Einstand gehabt und war bisher oft zum Experimentieren gezwungen. Es geht mit ihm an der Außenlinie vergleichsweise ruhiger zu als das bei Ihnen als hochemotionalem Coach der Fall war. Wie bewerten Sie seine bisherige Arbeit, was erwarten Sie von ihm?

Wenn ein neuer Trainer seine Arbeit beginnt, haben er und seine Mannschaft zuallererst die Aufgabe, einen gemeinsamen Weg zu finden. Vor allem dann, wenn eigene Ideen eingebracht und Umstellungen vorgenommen werden. Das braucht seine Zeit. Zeit ist im Haifischbecken Bundesliga natürlich ein knappes Gut und das macht die Arbeit auf dem Niveau auch so anspruchsvoll. Deswegen ist mir persönlich vor allem die kontinuierliche Weiterentwicklung unseres Spiels wichtig. Das möchte ich sehen. Wenn Mannschaft und Trainer gemeinsam und mit Feuereifer daran arbeiten, dann werden wir auch auf dem Level spielen, dass wir Spiele für uns entscheiden. Und das ist unser großes Ziel.

Angesichts der aktuellen Corona-Zahlen ist nicht zu erwarten, dass die Beschränkungen bald gelockert werden. Wie entwickelt sich die wirtschaftliche Lage im Klub, welche Maßnahmen sind nötig, um das Schiff auf Kurs zu halten?

Ich habe es schon öfter gesagt, betone es aber gerne nochmal: In der aktuellen Corona-Situation steht noch vor allem Sportlichen das wirtschaftliche Überleben unseres Vereins. Hier bekommen wir große Rückendeckung von unseren Sponsoren und auch unseren Fans. Und dafür sind wir sehr dankbar und auch sehr stolz. Trotzdem müssen wir extrem die Kostenseite im Blick haben und aktuell auf vieles verzichten. Und deswegen ist es für mich auch unerlässlich, dass mögliche personelle Verstärkungen nur durch zusätzliche Mittel zu finanzieren sind.

Welche Unterstützung bekommt der HSC 2000 und welche Perspektiven bestehen, die Pandemie zu überstehen?

Bis heute haben wir trotz der schwierigen Gesamtsituation einen guten Kurs eingeschlagen und wichtige Teilerfolge erzielt. Wenn wir diesen Weg fortsetzen, bin ich nach heutiger Sicht der Dinge guter Dinge, dass wir diese verrückte Zeit mit all ihren Tücken und Herausforderungen gemeinsam meistern. Äußerst positiv war in diesem Zusammenhang Anfang der Woche die Zusage, dass wir durch die Corona-Hilfe Profisport zumindest Teile der fehlenden Zuschauereinnahmen ersetzt bekommen. Das war für unser gesamtes Team natürlich eine tolle und motivierende Nachricht.

Wie wollen Sie, seit dieser Saison als Geschäftsführer, den Klub weiterentwickeln, in welchen Bereichen setzen sie Prioritäten und was würde ein direkter Wiederabstieg bedeuten?

In meinen Augen können wir noch in vielen Dingen besser werden und da habe ich auch genaue Vorstellungen. Ein wichtiger Punkt ist natürlich, dass wir die Zahl unserer Unterstützer und Sponsoren weiter erhöhen. Das ist für die erste Liga unerlässlich und das hätten wir gerne mit dem Aufstieg verknüpft. Aufgrund der Corona-Situation war das aber nicht möglich. Bevor wir zu weit in die Zukunft blicken, und die ist unabhängig von 1. oder 2. Liga zu betrachten, geht es jetzt vor allem um den Augenblick und darum, das Beste aus der aktuellen Situation zu machen. Und da haben sich mein Team und ich einige neue Formate einfallen lassen, um sowohl unseren Fans als auch unseren Sponsoren trotz des Zuschauerverbots echte Nähe zu ermöglichen. In den nächsten Wochen werden wir gerade über unsere Social-Media-Kanäle interessante Beiträge zeigen, die einen spannenden Blick hinter die Kulissen ermöglichen. Mit der Rubrik "Klartext" und einem sehr offenen Interview mit Andreas Schröder haben wir damit bereits begonnen. Das ist echt hörenswert, weil ein Andi eben kein Blatt vor den Mund nimmt und viele Einblicke preisgibt.

Die Fragen stellte

Michael Döhler

Autor

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