Coburg Die Zukunft zieht ein

Ein herkömmliches Bad ist meist nicht barrierefrei. Die neue Musterwohnung zeigt, wie es auch anders geht. Foto: Kim Sharma/Stadt Coburg

Obwohl sie nicht zu mieten ist, wollen viele Coburger die barrierefreie Musterwohnung besichtigen

 
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Coburg - Die barrierefreie Musterwohnung in der Pettenkofer Straße hat das Interesse der Vestestädter geweckt. Und das, obwohl die Wohnung in dem Mehrparteienhaus nicht zur Vermietung bestimmt ist. Im Zuge der Wohnberatung entstand in den Räumen „Wilna“ des Vereins AWO-Gemeinschaftswohnen in Coburg auf 80 Quadratmetern eine Art Ausstellungsraum für Hilfsmittel. Ähnlich wie im Autohaus können sich Interessierte hier ein Bild davon machen, welche Möglichkeiten es gibt, um auch im hohen Alter oder mit körperlichen Einschränkungen möglichst lange in den eigenen vier Wänden bleiben zu können. „Das öffentliche Interesse an der Musterwohnung ist groß. „Im November haben wir einen Tag der offenen Tür veranstaltet. Über 50 Besucher haben sich die Wohnung angesehen“, erklärte Marion Habelitz vom Pflegestützpunkt Coburg auf der Sitzung des Sozialsenats.

Das Projekt wurde durch einen einmaligen Zuschuss in Höhe von 55 000 Euro aus Landesmitteln des bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales gefördert. Je Regierungsbezirk wurde eine Musterwohnung gefördert, sodass die Vestestadt die Förderzusage für den gesamten Regierungsbezirk Oberfranken erhalten hat. „Die barrierefreie Musterwohnung ist in Oberfranken wirklich einmalig. In ganz Bayern gibt es nur sieben geförderte Musterwohnungen“, schilderte Bürgermeister Thomas Nowak.

Einmalig ist auch die Einrichtung der Wohnräume. Die Musterwohnung verfügt über mehrere Sicherheitssysteme, wie beispielsweise eine Bett-Alarmmatte, eine Hinläuferuhr, ein in der Höhe verstellbares Waschbecken sowie verschiedene Smart-Home-Produkte.

„Das Bad stellt oft das größte Hindernis in Bezug auf Barrierefreiheit dar“, erklärte Habelitz. „Deswegen wurde das Badezimmer von der Wohnbau komplett umgebaut. Alle Hilfsmittel können hier genau getestet und ausprobiert werden.“

Allerdings durchkreuzte Corona die Pläne zur Gestaltung der Musterwohnung teilweise. „Es war unheimlich schwierig, Hilfsmittel auf dem Markt zu bekommen, da kein Material verfügbar war. Daher haben wir alles erworben, was zu bekommen war. Doch eigentlich waren noch weitere Hilfsmittel vorgesehen“, so Habelitz. Auch die geplanten Schulungen müssen pandemiebedingt verschoben werden.

Seit März 2018 bietet die Stadt Coburg zudem die Möglichkeit der sogenannten Wohnberatung an. Marion Habelitz wurde durch eine Fortbildung durch den „Verein Stadtteilarbeit“ mit 112 Unterrichtsstunden und einem Praxisanteil von ungefähr 30 Stunden für diese Aufgabe qualifiziert. Sie sieht die Musterwohnung als Demonstrationszentrum an, das bei den Besuchern einen Bewusstseinswandel bewirken soll: „Zertifizierte sowie ehrenamtliche Wohnberater informieren vor Ort gezielt darüber, wie man eine Wohnung barrierefrei ausstatten oder verbessern kann, zum Beispiel durch einen Bad- oder Küchenumbau. Alle Hilfsmittel können dann zu Hause nachgerüstet werden.“

Um Gefahrenquellen zu vermeiden, verfügt die Küche über einen unterfahrbaren Arbeitsbereich. So können Backofen und Kühlschrank in der Höhe variiert werden. Eine automatische Herdabschaltung sorgt zusätzlich für Sicherheit. Oft wünschen sich Eheleute eine gemeinsame Nachtruhe. Um dies zu ermöglichen, kann ein handelsübliches Doppelbett durch einen Hebepflegerahmen in ein Senioren- und Pflegebett umgewandelt werden.

Bei all den Maßnahmen steht allerdings für die Expertin immer die Person im Fokus. „Der Mensch ist die Maßnahme. Daher sind die verbauten Einrichtungen in der Wohnung auch nicht nur für Senioren gedacht. Auch junge Leute, die für das Alter vorsorgen wollen, kommen dabei auf mich zu.“

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