Coburg Hoher Besuch an der Hochschule

Natalie Schalk, FH Coburg

Die frühere Bundesfamilienministerin Renate Schmidt erntete beim Plausch an der Hochschule stürmischen Applaus.

 
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Sie kann’s noch immer: Renate Schmidt bei ihrem Auftritt während der akademischen Jahrfeier der Hochschule Coburg. Foto: Natalie Schalk/Hochschule Coburg/Schalk

Bei der akademischen Jahrfeier der Hochschule Coburg sind unlängst Höhepunkte und besondere Leistungen gefeiert worden. Mit einem besonderen Gast beim Podiumsgespräch: der ehemaligen Bundesfamilienministerin und Bundestagsvizepräsidentin Renate Schmidt, die im Dezember 80 Jahre alt wird. Und die nach wie vor eine leidenschaftliche Rednerin ist, wie sich nun bei ihrem Auftritt zeigte, bei dem sie mit kraftvoller Stimme, starken Worte und perfekt gesetzten Pointen überzeugte.

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„Ich bin in Coburg aufgewachsen“, sagte die „rote Renate“, wie sie einst genannt wurde, und erzählte von ihrem Onkel und der Tante, deren Eltern in Untersiemau eine Gurken- und Sauerkrautfabrik hatten, von der Großmutter, die aus Prag hergezogen war. Sie selbst sei als Baby mit ihrer Mutter aus dem hessischen Hanau gekommen. Coburg wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zum Familien-Stützpunkt. Schmidt erinnerte sich ans Flanieren und Jungs-Schauen in der Spitalgasse und daran, wie sie einmal im Religionsunterricht am Gymnasium Alexandrinum aus dem Fenster stieg, weil sie eine Laufmasche hatte. „Nylonstrümpfe waren damals etwas ganz Besonderes. Ich wusste: Ich darf so nicht nach Hause kommen.“ Sie eilte in ein Geschäft, ließ die Strumpfhose schnell reparieren, kletterte durchs Fenster zurück in den Unterricht – „und hatte wieder eine Laufmasche!“ Schmidt lachte herzlich, rau.

Schmidt berichtet, dass sie sich selbst am Gymnasium angemeldet hatte. Eigentlich war eine Karriere als Verkäuferin oder Sekretärin und vor allem als Ehefrau und Mutter vorgesehen. Doch es kam anders. „Als ich 13 war, bin ich zu meinem großen Leidwesen zwangsweise umgezogen, weil mein Vater einen neuen Job in Fürth hatte.“ Immer sei sie neugierig gewesen. „Und das Ergebnis dieser Neugierde war, dass ich mit 17 schwanger geworden bin.“ Deshalb flog sie von der Schule, wurde Programmiererin, später Betriebsrätin, Gewerkschafterin und bayerische Landtagsabgeordnete.

Moderator Andreas Renner, Leiter des Referats Marketing und Kommunikation der Hochschule, holte zum Podiumsgespräch Professorin Nicole Hegel, Vizepräsidentin für Bildung und Diversity, und Antonia Strobl, Studentin der Sozialen Arbeit, auf die Bühne. „Vielleicht ist es auch so, dass wir auch als Frauen konfliktbereiter sein müssen, um die Dinge, die uns zustehen, noch einmal ganz anders einzufordern“, sagte Hegel, während Renate Schmidt zustimmend nickte. Die Realität sehe jedoch anders aus, meinte Antonia Strobl: Mädchen würden eher dazu erzogen, „lieb, nett, fürsorglich und hilfsbereit“ zu sein, Jungs hingegen dazu, „sich durchzusetzen“. Sie forderte, dass schon im Kindergarten Geschlechterstereotype aufgebrochen werden müssten. Mit Blick auf Renate Schmidt sagte die Studentin: „Ich verspüre eine große Dankbarkeit für alles, was erreicht wurde. Aber das Patriarchat ist noch nicht überwunden. Wir brauchen noch ganz viele mutige Menschen, die sich dem entgegenstellen.“

Mut ist ein Lebensthema von Renate Schmidt. „Ich habe soviel Angst gehabt in meinem Leben“, sagte sie. „Was glauben Sie, wie viel Angst ich bei meiner ersten Rede im Bundestag hatte: Magenkrämpfe!“ Aber: Wer keine Angst habe, habe auch keine Fantasie. „Mutige Menschen bestehen aus lauter überwundenen Ängsten“, sagte sie. „Trauen Sie sich etwas zu.“ Die Zuhörer reagierten mit stürmischem Applaus.