Coburg HSC bringt Hexenkessel zum Überkochen

Die Coburger Handballer machen Trainer Jan Gorr mit ihrem sportlichen Feuerwerk beim 33:23 gegen Emsdetten ein schönes Geburtstagsgeschenk. Sie spielen wie aus einem Guss.

 
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Coburg - Wie sehr sich der Trainer der Coburger Zweitliga-Handballer, der eher zu Understatement als zu Überschwang neigt, über das sportliche Geschenk seiner Mannschaft zum 41. Geburtstag gefreut hat, offenbarte er fast beiläufig. "Das war erfrischend, gell?", lautete die rhetorische Frage von Jan Gorr, als er mit einem verschmitzten Lächeln den Medien-Raum der HUK-Arena zur Pressekonferenz betrat. Der Klang vom stürmischen Beifall der Fans in Gelb-Schwarz unter den 2149 Zuschauern nach dem souveränen 33:23 (14:10)-Heimsieg ihres HSC 2000 und deren lautstark gesungenen Ständchen schien da in den Katakomben des Sport-Tempels auf der Lauterer Höhe noch nachzuhallen.

Sein knapp zwei Monate älterer Gegenüber brachte die Überlegenheit der Hausherren an diesem Tage - schicksalsergeben und anerkennend - auf den Punkt: "Was gibt es geileres, als vor 2200 Zuschauern gegen ein Team antreten zu dürfen, das in die erste Liga aufsteigen will. Ich hatte große Lust auf dieses Spiel", wollte Daniel Kubeš, Chefcoach der tschechischen Nationalmannschaft und des TV Emsdetten, der Klatsche des Tabellenelften beim Zweitplatzierten neben großer Enttäuschung auch noch etwas Gutes abgewinnen.

Fuß in der Tür

Der Trost von Jan Gorr für den Kollegen kam da ähnlich postwendend schnell, wie vorher auf dem Spielfeld die Coburger Konter über Florian Billek oder Felix Sproß gelaufen waren: "Wenn der TVE einmal den Fuß in der Tür hat, kann die Mannschaft extrem stark sein. Aber wir haben es geschafft, an entscheidenden Punkten gut zu stehen", zeigte der HSC-Chefanweiser Mitleid mit den Nordrhein-Westfalen, dass es derart krass für sie gekommen war. Tatsächlich hatten jene ihren Fuß in Coburg für kurze Zeit in der Tür gehabt. Die beim HSC nicht seltenen Anlaufprobleme nutzten TVE-Spielmacher Merten Krings und Linksaußen Dirk Holzner zur 2:0-Führung der Gäste. Dann allerdings schritt der an diesem Samstag zum "HSC-Chefarzt" avancierende Anton Prakapenja mit präzisen Schnitten zur Tat und leitete die schmerzhafte Amputation des Emsdettener Fußes mit drei Rückraum-Krachern zum 3:3 (6. Minute) äußerst fachmännisch ein. Als der Weißrusse dann noch seinen unermüdlich rackernden Kapitän Sebastian Weber herrlich am Kreis angespielt und dieser die erste Coburger Führung (4:3, 7.) erzielt hatte, war die Geburtstagskerze angezündet und der schlafende Riese geweckt.

Mit einem in Topform parierenden Torwart Jan Kulhánek als Rückhalt durften sich in den folgenden 52 Minuten im Operationssaal noch weitere "Chirurgen" genüsslich am in der Tür eingeklemmten Bein der Gäste zu schaffen machen. Vom Coburger Tempo-Handball profitierten allen voran Rechtsaußen Florian Billek, der mit zurückgewonnenem Selbstbewusstsein acht Mal einnetzte (davon zwei souveräne Siebenmeter) und Felix Sproß, der nach seinen sieben Treffern aus dem Grinsen kaum noch herauskam. Gemeinsam mit "Flo" Billek bester HSC-Schütze war der überragende Prakapenja, der sich in der Schlussphase zusammen mit Keeper Kulhánek auch noch als "Kindergärtner" bewähren durfte.

"Jugend forscht"

Nach der zweiten Auszeit, die Jan Gorr beim Stande von 27:17 nahm und in die sein Team mit Beifall begleitet wurde, lautete das Motto "Jugend forscht" beim Gastgeber: Der Coach gab während der letzten achteinhalb Minuten den jüngeren Spielern Gelegenheit, sich zu zeigen: Er schickte neben den beiden Routiniers noch Sproß, Patrick Weber, Marcel Timm, Jakob Knauer und Lukas Wucherpfennig auf die Platte. Dass der im Januar vom Erstligisten Bietigheim nachverpflichtete Weber - am Ende vierfacher Torschütze - dabei Verantwortung übernahm und mit zwei Rückraum-Krachern seine Wurfkraft unter Beweis stellte, dürfte Gorr gefallen haben. Wie froh er ist, mit Marcel Timm nach schnell überstandener Bänderverletzung aus dem Lehrgang der U21-Nationalmannschaft Anfang März nun wieder eine Option mehr im Abwehrblock zu haben, betonte er explizit.

Apropos Abwehr: Wie Markus Hagelin dort in Zusammenarbeit mit Prakapenja und seinen weiteren Nebenleuten die Angreifer der Gäste "abräumte", war handfeste Wertarbeit. Die anderen beiden aus dem Coburger Schweden-Trio, Tobias Varvne und Pontus Zetterman, konnten sich vergleichsweise nicht so auffällig in Szene setzen wie ihr Landsmann.

Obwohl auch die Gäste mit einigen kreativen Anspielen und schönen Toren Akzente setzten und ihr Regisseur Merten Krings nie gänzlich auszuschalten war, verzweifelten sie im Verlauf der Begegnung immer mehr. Die fünf Einschläge ihres besten Spielers, Janko Božovic, aus dem Rückraum konnten die Gastgeber nicht verhindern. Der TV Emsdetten, der mit der Empfehlung eines Kantersieges gegen Wilhelmshaven nach Oberfranken angereist war, bleibt damit - nach nunmehr sieben Niederlagen und einem Unentschieden aus den letzten acht Duellen - ein Lieblingsgegner des HSC 2000. Er darf allerdings hoffen, zumindest in der nächsten Saison verschont zu bleiben. Denn falls dem HSC - mit oder ohne Geburtstag - annähernd noch mehr Tage wie diese gelingen, an denen selbst der gegnerische Coach über die Coburger ins Schwärmen gerät ("Es hat Spaß gemacht, euch zuzuschauen"), sollte der erhoffte Aufstieg gelingen. Und dann würde sich der TVE vorerst nicht mehr von den Vestestädtern auseinandernehmen lassen müssen.

Dass sein Team auf gutem Wege ist, sieht - frei von Understatement - auch Jan Gorr so: "Die Vorstellung hat mich an das Team der Hinrunde erinnert", kommentierte der Coach das jüngste Ausrufezeichen seiner Schützlinge im Kampf um die Aufstiegsplätze, in Anlehnung an die Souveränität aus der ersten Saisonhälfte. Seinen Geburtstag feierte er nach dem Spiel "zunächst noch im VIP-Raum der Arena und anschließend habe ich ganz gemütlich mit ein paar Freunden in der Stadt auf meinen Geburtstag angestoßen. Toll war gestern natürlich das Spiel mit einem äußerst dominanten Auftreten meiner Mannschaft und einem hervorragenden Abwehrspiel", war der Übungsleiter auch am Tag danach noch sehr angetan vom Geschehen auf der Lauterer Höhe.

"Sehr gefreut habe ich mich auch über die vielen Gratulanten in der Halle und das Ständchen bei unserer Runde nach dem Spiel. Ich habe noch nie von so vielen Leuten Happy Birthday gesungen bekommen", schwärmte er. Die Fanclubs "Veste Nord" und "Coburger Mohr" haben mit ihren Trommlern und ihrer stilisierten gelben Wand erneut für tolle Stimmung im Hexenkessel gesorgt.

Statistik

HSC 2000 Coburg: Jan Kulhánek (16 Gegentore, 14 Paraden), Konstantin Poltrum (7 Gegentore, 0 Paraden) - Markus Hagelin, Maximilian Jaeger, Lukas Wucherpfennig, Felix Sproß (7), Sebastian Weber (2), Anton Prakapenja (8), Florian Billek (8/2), Marcel Timm (1), Jakob Knauer (1), Pontus Zetterman (2), Tobias Varvne, Patrick Weber (4); Trainer Jan Gorr.

TV Emsdetten: Mark Ferjan (nicht eingesetzt), Konstantin Madert (33 Gegentore, 6 Paraden) - Tim Weischer, Merten Krings (2), Marten Franke, Yannik Terhaer (2), Jan Hübner (1), Karl Toom (1), Paul Kolk (4), Yannik Dräger (2), Dirk Holzner (3/2), Jorn Smits, Sven Wesseling (1), André Kropp (2), Janko Božovic (5); Trainer Daniel Kubeš.

Siebenmeter: 2/2 - 2/2. - Strafminuten: 0 - 4 (Kropp, Terhaer).

Beste Spieler: Prakapenja, Billek, Sproß, Hagelin, Kulhánek - Božovic, Kolk.

Spielfilm: 0:2 (1.), 1:2 (3.), 1:3 (3.), 4:3 (7.), 5:4 (10.), 7:5 (13.), 9:6 (15.), 12:8 (19.), 13:9 (26.), 14:9 (28.), 14:10 - 16:10 (33.), 18:11 (35.), 19:12 (39.), 21:12 (43.), 23:13 (46.), 24:13 (47.), 25:15 (49.), 27:15 (50.), 27:17 (52.), 29:19 (54.), 30:21 (56.), 32:22 (59.), 33:23.

Schiedsrichter: Jan Lier (Korntal-Münchingen)/Manuel Lier (Sankt Gallen). - Zuschauer: 2149.

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