Coburg liest! Schreibende Künstler und künstliche Schreiber

Kann Künstliche Intelligenz auch kreativ schreiben? Ein Workshop soll es klären. Foto: pixabay Foto:  

Speeddating mit ­Klassikern, Bestseller und Newcomer, Salonkultur und digitale Dichter: Die Coburger Literaturtage gehen mit der Zeit.

 
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Coburg liest – und Neustadt liest mit. Ein Abstecher in die Puppenstadt ist nicht das einzige Novum, mit dem die Coburger Literaturtage nach zweijähriger Unterbrechung durchstarten: Vom Speed-dating mit deutschen Klassikern bis zum Workshop mit digitalen Dichtern reicht die Bandbreite der 19. Auflage von „Coburg liest!“ vom 30. April bis zum 7. Mai. Prominentester Gast ist diesmal Eva Menasse, die das Bücherfestival mit der Autorengala krönt.

Zum Auftakt stellen sich wie stets drei Newcomer beim Romanmarathon in der Reithalle vor. Elias Hirschl, Wiener des Jahrgangs 1994, beschreibt mit sprachgewaltiger Ironie, wie sich das gesamte Leben eines jungen Österreichers nur um die Figur Julius Varga dreht. Der namenlose Erzähler versucht, mit allen Mitteln seinem Idol nachzueifern – besessen von Marken und Äußerlichkeiten und der Ästhetik von Terroranschlägen. In den Feuilletons wurde „Salonfähig“ als satirischer Schlüsselroman über Sebastian Kurz und die „Generation Slim Fit“ bezeichnet.

„Ein simpler Eingriff“ heißt der Roman, den Yael Inokai vorstellen wird. Die Autorin (geboren 1989 in Basel) hat bereits mit „Storchenbiss“ und „Mahlstrom“ zwei viel beachtete Bücher vorgelegt. In ihrem neuen Werk geht es um die Krankenschwester Meret, die an ihrer Klinik miterlebt, wie ein neuartiger Eingriff entwickelt wird, der Menschen von Wut und Angst befreien soll.

„Junge mit schwarzem Hahn“ lautet der Titel des Debüt-Romans von Stefanie vor Schulte (1974 in Hannover geboren), der im vergangenen Jahr mit dem angesehenen Mara-Cassens-Preis ausgezeichnet wurde. Die nach ihrer Stifterin benannte und mit 20000 Euro dotierte Auszeichnung für einen deutschsprachigen Romanerstling ist der einzige Literaturpreis, der von einer Leserjury vergeben wird. Das Werk erzählt von einem verwaisten Jungen und seinem Hahn und ihrem Kampf gegen den Krieg und eine dunkle Fürstin. In starker Bildersprache entsteht für den Leser eine surreale, zeitlose Atmosphäre.

Am Montag, 2. Mai, geht „Coburg liest!“ auf Tour: Erstmals ist das Literaturfestival in Neustadt bei Coburg zu Gast. Ursprünglich wollte man in der Kultur.Werk.Stadt den Soziologen Harald Welzer begrüßen. Nach seiner kurzfristigen Absage gelang es nun, Lisa Quentin für den Abend zu gewinnen. In ihrem Roman-Debüt „Ein völlig anderes Leben“ beschäftigt sich die Journalistin, die 1985 geboren wurde und im Landkreis Coburg aufgewachsen ist, mit einem der düstersten und kaum aufgearbeiteten Kapitel der DDR-Geschichte: den Zwangsadoptionen. Nur einige Hundert Meter von der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze entfernt wird Lisa Quentin aus ihrem Roman lesen und über seine Entstehungsgeschichte berichten.

Können KI-Programme die schöneren Geschichten schreiben? Lassen sich mit ihrer Hilfe Sprache und Ausdruck verbessern? Dieser Frage gehen am Dienstag, 3. Mai, in der Buchhandlung Riemann zwei Experten nach. Jochen Leidner, Gründungsmitglied des neuen Zentrums für Künstliche Intelligenz, und der Kulturwissenschaftler Christian Holtorf laden das Publikum auch zum praktischen Ausprobieren ein.

Für Salonkultur steht seit Jahren „Literatur in den Häusern unserer Stadt“. Am 4. Mai laden wieder Coburger Bürger/innen zu Lesungen mit Ensemblemitgliedern des Landestheaters in ihre gute Stube ein. Die Besucher können aus einem vielseitigen Angebot wählen und erfahren erst beim Kauf ihrer Eintrittskarte den Ort ihrer Lesung.

Zum Speeddating mit deutschen Klassikern lädt der Theaterdramaturg Michael Sommer am 6. Mai in das Forum des Gymnasiums Ernestinum ein. Sommer inszeniert große Literatur auf kleiner Bühne – mit Playmobil-Figuren. In munterer Interaktion mit dem Publikum ab 14 Jahren wird mit den Vorurteilen gegenüber den „alten Schinken“ aufgeräumt. Im Finale von „Coburg liest!“ stellt die Bestseller-Autorin Eva Menasse am 7. Mai im Haus Contakt ihren neuen Ro man „Dunkelblum“ vor. Die österreichische Schriftstellerin entlarvt darin schonungslos die scheinbar heile Welt einer kleinen Stadt und erzählt vom Umgang der Bewohner mit einer historischen Schuld. du

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