Coburg Plädoyer für artenreichen Wald

Der Wald ist sein Leben: Dr. Georg Meister fotografiert die Elsbeere, den Baum des Jahres 2011. Quelle: Unbekannt

Mit seinem Bekenntnis "Wald vor Trophäenjagd" ist der ehemalige Förster Dr. Georg Meister für die meisten Jäger ein rotes Tuch. Seit über 70 Jahren beschäftigt er sich mit Wald und Wild.

 
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Roßfeld - Genau genommen ist der Jäger an die Stelle des Luchses getreten. Der Luchs war einst der natürliche Feind des Rehs und hielt gemeinsam mit strengen Wintern Reh-Bestände und Wald im Gleichgewicht. Ein ungewöhnliches Bild, das Dr. Georg Meister, der in Roßfeld lebt und der seit kurzem Ehrenmitglied des Ökologischen Jagdvereines ist, herauf beschwört: Jäger, die nach Luft ringend versuchen, mit einem flinken Reh Schritt zu halten.

Die Realität ist jedoch eine andere. Wenn der 81-Jährige davon erzählt, wird er ernst: "Die Jagd ist seit etwa 140 Jahren für die meisten Jäger ein Vergnügen und oft auch Statussymbol. Für prestigeträchtige Trophäen harren Jäger stundenlang auf Hochständen am Waldrand aus. Und treffen dann eine Auswahl, zu der der Mensch meist überhaupt nicht fähig ist". Das sagt ein Mann, der sich seit über 70 Jahren mit Wild und Wald beschäftigt. Und mit der Jagd: Von seinem Vater schon früh ganz streng zur waidgerechten Hegejagd erzogen, glaubte er bis zu seinem 20. Lebensjahr an deren absoluten Vorrang vor dem Wald. Einen Wendepunkt, der seine darauf folgende "Försterschaft mit Scheuklappen" beendete, erlebte er 1956 auf einer Berghütte. Er beobachtete dort, wie drei Hirsche mit ihren Rudeln nachts auf eine Waldwiese traten. Plötzlich erhellte ein Scheinwerfer die Lichtung und wählte unter den Hirschen sein Ziel. Ein Schuss zerriss die Abendstille und der Jäger konnte sich über ein besonders prächtiges Geweih freuen.

Georg Meister weiß noch, dass er damals entsetzt war und überzeugt, dass dieses Verhalten geahndet werden musste. Dass es sich bei dem Jäger um einen einflussreichen Industriellen handelte, konnte er nicht wissen. Fast hätte ihn diese Episode seine Försterlaufbahn gekostet. Und auch als ihm seine Professoren die enormen Schäden der Trophäenjagd zeigten, begann er zu zweifeln und nach einer Lösung für Jagd und zukunftsfähigem Wald zu suchen.

Seit 160 Jahren gibt es das "Mischwald-Ziel". In seiner Dissertation macht Meister die "waidgerechte Hegejagd" zum Großteil dafür verantwortlich, dass es bis heute kaum erreicht wurde. Als er jedoch die Jäger im Jagdschutzverband davon überzeugen wollte, scheiterte er. Weil die meisten seiner Kollegen die Privilegien ihrer Jagd vor forstliche Ziele stellten. "Die dabei angerichteten Schäden in Millionenhöhe zahlt der Steuerzahler für den Aufbau von Schutzwäldern," sagt Georg Meister.

Aufbau ist möglich

Dass dieser Aufbau möglich ist, hat er als Leiter des Forstamtes Bad Reichenhall bewiesen. Und das ist ihm wichtig: Vom Wald wird im Zuge von Klimaerwärmung und Energiekrise in den kommenden Jahrzehnten einiges erwartet. Um für Hochwasserschutz, Trinkwasser, Rohstoffe und Erholung sorgen zu können, muss sich der Wald wandeln - in "einen möglichst stabilen und naturnahen Mischwald, so wie früher", sagt Meister. Dieser "Waldrückbau" funktioniert nur dann mit wenig Geld, wenn sich alle standortheimischen Pflanzen voll entwickeln können. Gerade beim Übergang vom alten zum jungen Wald sei das in Deutschland nur auf wenigen Prozent der Waldfläche möglich: Weil die allzu vielen Rehe einige der besonders wichtigen "Pionierpflanzen" schon abfressen, bevor sie richtig aufwachsen können. Was übrig bleibt, ist für den kleinen Reh-Magen kaum verdaulich: Harte Gräser, Kiefern und Fichten. Einen artenreichen Wald mit Eichen, Ahornen, Eschen, Linden, Tannen und vielen Strauch- und Krautarten gibt es oft nur hinter wildabweisenden Zäunen.

Mit Leib und Seele Förster

Mit seiner Theorie von "Wald vor Trophäenjagd" ist der ehemalige Förster für die meisten Jäger ein rotes Tuch. Weder das oft schon ganzjährige Füttern und "Ankirren" noch die selektive Jagd von Hochständen am Waldrand aus kann er befürworten. Er kennt die Überlebensstrategien der Rehe und meint liebevoll: "Ich muss das immer wieder bewundern, wie diese Tiere es schaffen, sich so zu verstecken, dass möglichst wenige von ihnen getötet werden." Und er, der er "immer mit Leib und Seele Förster gewesen" sei, ist überzeugt: "Ich muss den Wald so nutzen, dass er meinen Enkeln noch genauso großen Nutzen bringt."

Seit 60 Jahren schon fotografiert er den Wald, dokumentiert Entwicklung und Zusammenhänge. In Aufsätzen, Büchern und Bildbänden hat er seine Entdeckungen publiziert. dg

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