Coburg – "Die Leute wollen ein bisschen Elend sehen. Vielleicht um sich ein bisschen besser zu fühlen. Das ist ihr gutes Recht." Der Satz könnte von einem RTL-Programmdirektor stammen oder von einem römischen Caesaren – Entertainment ist ein zeitloses Geschäft, und ein zynisches dazu. Je härter die Zeiten, desto rüder die Spiele, die das Volk bei Laune und die Quote oben halten.
Keiner weiß das besser als Rocky Gravo, der Conferencier dieser bizarren Show, der von der Not der Armen und der Dekadenz der Reichen lebt: Tanzen bis zur Erschöpfung lautet das Geschäftsmodell, von dem Horace McCoys 1935 erschienener und 1969 verfilmter Roman "Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss" erzählt. Der mörderische Tanz-Marathon als makabre Volksbelustigung ist keine literarische Fiktion, der Autor hat selbst als Rausschmeißer bei einem solchen Turnier gejobbt.
Der reale Hintergrund macht die schaurige Revue umso eindringlicher, die Coburgs Schauspieldirektor Matthias Straub mit seinem Ensemble, dem wie stets spielfreudigen Chor "Unerhört" und einer versierten Jazz-Kombo am Samstag zur begeistert aufgenommenen Premiere brachte. Auch wir Zuschauer spielen nolens volens mit, lassen uns vom alerten Einpeitscher Rocky Gravo, den Nils Liebscher famos fies spielt, zu anfeuerndem Applaus animieren und werden unversehens Teil dieses gespenstischen "Events".