Coburg verleiht Friedrich Rückert-Preis Dicht am Dichter

Update für den weltoffenen Dichter und Sprachwissenschaftler: Foto: /Daniel Brabec

Frischer Wind für den Friedrich-Rückert-Preis: Krimi und Kulinarik, App und Action laden dazu ein, das dichtende Sprach- genie und das Gastland Armenien näher kennenzulernen.

 
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Hübsch hat er’s auf seinem Ehrenplatz mitten im Neuseser Park, der seinen Namen trägt. Auch eine Schule und eine Straße haben die Coburger nach ihm benannt, und rund um sein Dichterhäuschen auf dem Goldberg flanieren und chillen sie gerne am See. Trotzdem geht es Friedrich Rückert (1788 – 1866) kaum besser als vielen seiner Kollegen auf ihren hohen Sockeln: So wirklich groß ist das Interesse an ihm und seinem Werk nicht (mehr). Daran hat auch der Rückert-Preis nichts geändert, den die Stadt seit 2008 an Autoren und Autorinnen aus dem Nahen und Mittleren Osten vergibt: Vornehmlich Insider nahmen davon Notiz.

Das soll sich nun ändern: Rund um die Verleihung des 6. Rückert-Preises an den 1991 in Jerewan geborenen Schriftsteller Grigor Shashikyan lädt die Stadt vom 12. bis 20. Mai zu Armenischen Kulturtagen ein. Spiel & Aktion, Lesung & Vortrag, Kunst & Kulinarik, Ausstellung & Liederabend: Das Programm ist denkbar bunt und „niederschwellig“, erklärt Dr. Kerstin Lindenlaub, die Leiterin der Kulturabteilung. Einen prall gefüllten „Testballon“ bringt sie gemeinsam mit ihren Kolleginnen Johanna Rosenzweig und Mirjana Preibusch sowie etlichen lokalen Kulturakteuren an den Start.

Das Ziel: Menschen jeden Alters und jeder Herkunft für den Orientalisten, Dichter und Sprachforscher Rückert zu begeistern, der 44 Sprachen beherrschte und mit seiner Weltoffenheit zur Nachahmung anregen sollte. Mit allen Sinnen können die Coburgerinnen und Coburger zudem das Heimatland des diesjährigen Preisträgers erkunden: Armeniens reiche Kultur, seine Musik, seine Küche, seine touristischen Reize. Vom frischen Rückert-Wind kündet schon das von Daniel Brabec gestaltete Programmheft, das Lust macht auf ein Dutzend Veranstaltungen – zumeist zum Nulltarif.

Auch Coburgerinnen mit armenischen Wurzeln wirken mit – und stellen dem Publikum ihre Heimat bei der Eröffnung am 12. Mai im Haus am See musikalisch und kulinarisch vor. Referenten geben Einblicke in die armenische Kultur – und der junge Friedrich Rückert wird persönlich vorbeischauen.

In einen Mordfall wird er tags darauf verwickelt: Der Erlanger Mediziner und Autor Johannes Wilckes liest aus seinem 2016 erschienene Krimi „Der Fall Rückert“ – passenderweise in der Hochschule, denn Tatort ist eine Uni-Bibliothek. Im armenischen Nationalsport können sich helle Köpfe am 14. Mai mit einem Profi messen: Spartak Grigorian, Bundesligaspieler des SV Werder Bremen, tritt vor dem Kunstverein im Simultanschach gegen 20 Herausforderer an. Gleichzeitig laden Studierende aus dem Fachbereich Design auf den Arkaden zur öffentlichen Kunstaktion ein: Friedenstauben werden aus Ton geformt. Am Abend liest die ZEIT-Redakteurin Laura Cwiertnia im Kunstverein aus ihrem Debütroman „Auf der Straße heißen wir anders“, der humorvoll die verzweigten Pfade einer armenischen Familie auffächert. Wie stark Rückert bis heute Komponisten inspiriert, zeigen Studierende des Salzburger Mozarteums beim Liederabend am 15. Mai in der Lutherschule. Das Konzept stammt von ihrem Professor, dem in Coburg lebenden Tenor Christoph Strehl.

Digitale Schnitzeljagd

Einen Tag nach der nichtöffentlichen Preisverleihung stellt Grig Shashikyan sich und seinen Roman „Jesus’ Katze“ am 17. Mai im Kunstverein vor. Auszüge in deutscher Sprache werden die Übersetzerinnen Anahit Avagyan und Wiebke Zollmann vortragen, die erstmals ebenfalls mit Preisen bedacht werden. Einen der bedeutendsten armenischen Künstler der Moderne präsentiert die Galerie Späth während der Kulturtage: Karen Smbatyan (1932 – 2008). Mit Vortrag und Film wird er am 18. Mai vorgestellt. Eindrücke seiner 2016 unternommenen Reise durch das alte Kulturland am Hindukusch vermittelt Gerhard Amend in Wort und Bild am 19. Mai im Haus am See.

Spielerisch nach Rückerts Spuren fahnden können Kinder samt Eltern bei der digitalen Schnitzeljagd im Rückert-Park mit Hilfe der Actionbound-App. Ganz analog dürfen sich Stadbummler auf die Suche nach Rückertköpfen in den Schaufenstern des Einzelhandels machen und dabei ein Silbenrätsel lösen – Büccher und Gutscheine winken als Gewinne.

Armeniens Literatur und Friedrich Rückerts Verhältnis zu dem Land und seiner Sprache (die er nicht sonderlich liebte) haben Edmund Frey und Brigitte Maisch erforscht. Ihre Textauswahl tragen Lilian Precht und Hans Ehlers vom Landestheater am 20. Mai im Kunstverein vor – und setzen damit den Schlusspunkt unter die Armenischen Kulturtage. Durchaus nicht mangels weiterer Ideen, versichert Johanna Rosenzweig: „Wir hätten noch drei Wochen länger machen können“.

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