Coburg Wenig Verständnis für Kultur-Helden

Kultur im Schredder: Symbolträchtig verweist das Plakat im Schaukasten bei "Leise am Markt" auf eines der Konzerte, die in diesem Jahr ausfallen mussten. Foto: Ungelenk

Antoinetta Bafas macht sich Sorgen um die freie Szene. Die Chorleiterin und Veranstalterin kritisiert die mangelnde staatliche Unterstützung.

 
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Coburg - Das Plakat im Schaukasten ist halb geschreddert. Es steht für den Zustand der Kulturszene im CoronaJahr, und es verweist auf ein Konzert, das nie stattgefunden hat: Die Kuti Mangoes konnten am 18. Juni nicht hier spielen, niemand hat hier mehr gespielt, zugehört, einen geselligen Abend erlebt seit Mitte März.

Dabei standen die Zeichen für die fünfte Saison im "Leise am Markt" auf Rekord: "Zum ersten Mal waren alle Konzerte ausverkauft, genauer gesagt: ausreserviert", erklärt Antoinetta Bafas, die künstlerische Leiterin der Reihe "Leise - Kultur am Markt". Fünf Jahre hat sie beharrlich daran gearbeitet, den Coburgern die Ohren für Jazz und Weltmusik zu öffnen, hat Stars und hochkarätige Newcomer in den kleinen Saal in der Herrngasse und zu den Jazztagen geholt. Mit Erfolg: Der Fankreis wuchs stetig.

Doch seit einem halben Jahr herrscht Stille in der beliebten Location, "Konzerte für 25 Leute sind nicht finanzierbar", bedauert die Organisatorin. Umso glücklicher stimmt es sie, dass sie in Zusammenarbeit mit dem Landestheater im September doch noch ein "It’z Jazz"-Wochenende auf die Bühne des Großen Hauses bringen konnte: "Das war ein enormer Lichtblick".

Der Kultur-Lockdown trifft sie nicht nur als Veranstalterin: Antoinetta Bafas ist selbst Musikerin und Chorleiterin aus Leidenschaft. Spektakuläre Projekte hat sie mit ihrem Chor "Unerhört" seit 2006 verwirklicht, bis ihn Corona verstummen ließ. Im Sommer gab es immerhin Open-Air-Proben im kleinen Kreis und eine Videoaufnahme für das Online-Projekt "COltur", alle weiteren Vorhaben sind geplatzt.

"Jeder, der noch versucht, Kultur anzubieten, ist für mich ein großer Held", betont Antoinetta Bafas. Wie schwer es diesen Helden und Heldinnen gemacht wird, erlebt sie seit dem Frühjahr: "Monate lang wurde an alle Bereiche gedacht, nur nicht an die freie Kulturszene". Was dann kam, bewertet Bafas als unzureichend oder nicht durchdacht. Das erste Programm sah die Erstattung von Betriebsausgaben vor, die bei vielen selbstständigen Künstlern allerdings nicht anfallen, wenn sie nicht arbeiten können. Auch die vom Freistaat bereitgestellte Soforthilfe, die nur bei akuter Existenzbedrohung anstelle von Hartz IV gezahlt wurde, brachte laut Bafas wenig: "Mit 1000 Euro ist nichts getan."

Bis zu 5000 Euro hat die Bundesregierung in der vergangenen Woche Soloselbstständigen als "fiktiven Unternehmerlohn" in Aussicht gestellt - doch die Details sind nach Antoinetta Bafas’ Meinung noch unklar. Hoffnung setzt sie auf das Programmpaket "Neustart Kultur", das die Bundesregierung für Kultur- und Medienschaffende geschnürt hat. Zwar sei es sehr aufwendig, in dessen Genuss zu kommen ("der bürokratische Aufwand ist enorm"), aber wenn es klappt, könne sie auf dieser Basis die Konzertreihe bei Leise am Markt neu auflegen.

Froh ist die Coburgerin, dass Prominente wie Die Ärzte, Till Brönner oder Helge Schneider auf die prekäre Lage ihrer weniger profilierten und abgesicherten Kollegen hingewiesen haben. "Es gibt wenig Verständnis für die Branche in der Politik", kritisiert Bafas, die um die Zukunft der freien Szene bangt: "Das dürfte im Land der Dichter und Denker nicht passieren!".

Bezeichnend findet sie, dass die Kultur stets dem Bereich Freizeit zugeordnet werde. "Kultur ist viel mehr als Freizeitgestaltung, sie dient der Auseinandersetzung mit ethischen und moralischen Fragen, für viele Menschen ist sie eine Art Religion". Darum hegt sie bei aller Sorge auch Hoffnung, dass die Corona-Krise letztlich das Verständnis für die Bedeutung und die Vielfalt der Kultur stärken könnte: "Vielleicht wächst aus der Lethargie und der Schockstarre am Ende eine neue Lust auf Kultur".

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