Coburg – Swenja Franz, stellvertretende Kommandantin der Freiwilligen Feuerwehr Neu- und Neershof, wischt sich Tränen aus dem Gesicht. Johannes Schulz, Vorsitzender des Feuerwehrvereins Lützelbuch, steigt Wasser in die Augen, als er am Mittwochabend vor dem Feuerwehrdepot im Coburger Dammweg eine Festschrift aus dem Jahr 1967 verteilt. Damals, am 19. und 20. August, weihte die Freiwillige Feuerwehr Lützelbuch ihr Gerätehaus ein. Fast auf den Tag genau 49 Jahre später endet die Geschichte der Hilfsorganisation und die der im Nachbarort Neu- und Neershof. 32 Aktive erklären ihren Austritt aus beiden Feuerwehren. Damit existieren die Einsatzgruppen nicht mehr.

Die Übergabe der persönlichen Schutzkleidung, der Ausrüstungsgegenstände und der beiden Einsatzfahrzeuge fällt den Frauen und Männern sichtlich schwer. Einige sind zu Hause geblieben. Sie wollen nicht in aller Öffentlichkeit ihr Herzblut vergießen, weil es die beiden Feuerwehren ab sofort nicht mehr gibt. Nur deren Vereine, die mit dem Retten, Löschen und Bergen nichts zu tun haben, leben weiter. Wie lange noch, vermag am Mittwochabend niemand zu sagen.

„Es ging einfach nicht mehr“, sagen die Kommandanten Stefan Franz (Neu- und Neershof) und Stefan Büttner (Lützelbuch) übereinstimmend. Nachdem der Stadtrat im Juli ihr Konzept zur Neuorganisation des Feuerwehrwesens im Coburger Osten abgelehnt hatte, fiel der Entschluss, den Feuerwehrdienst zu quittieren. „Wir haben keine Zukunft mehr gesehen, junge Menschen und uns selbst für den Feuerwehrdienst zu motivieren“, sagt Büttner.

Dabei, so die Kommandanten, hätte es eine gute Alternative für den Fortbestand der beiden Wehren gegeben. Sie verweisen auf das Papier, das die Feuerwehren Neu- und Neershof, Lützelbuch und Löbelstein gemeinsam erarbeitet haben. Es sah vor, die drei Wehren zusammenzulegen, um so die notwendige Mannschaftsstärke für Einsätze bilden zu können, um junge Menschen für den Dienst zu motivieren und den Brandschutz im Coburger Osten dauerhaft sicherzustellen (Neue Presse vom 29. Juni).

Im November 2014 hatte Oberbürgermeister Norbert Tessmer die 24 Mitglieder zählende Projektgruppe „Organisationsuntersuchung Feuerwehr Coburg“ eingesetzt. Als Ziel war vorgegeben, die Struktur der Freiwilligen Feuerwehr mit ihren ehrenamtlich Aktiven und 16 hauptamtlich beschäftigten Gerätewarten „so lange wie möglich beizubehalten, um die Einrichtung einer ständig besetzten Wache zu vermeiden“, heißt es in der Studie. Die Personalkosten für die Feuerwehr würden sich sonst mit über einer Million Euro jährlich mehr als verdoppeln, rechnete die Expertenkommission vor.

Sie machte das größte Problem einer Neuorganisation des Coburger Feuerwehrwesens in den östlichen Stadtteilen aus. Die Kommandanten Stefan und Swenja Franz (Neu- und Neershof), Stefan Büttner (Lützelbuch) sowie Stefan Reingruber und Bernhardt Zimmermann (Löbelstein) schlugen deshalb in einem Brief an Oberbürgermeister Tessmer, die Stadträte, den Leiter des Ordnungsamtes, Kai Holland, und Stadtbrandrat Ingolf Stökl eine Zusammenlegung ihrer Wehren vor. Als notwendig für den Neuanfang und die Motivation insbesondere junger Einsatzkräfte bezeichneten sie den Neubau eines Gerätehauses auf „neutralem Grund“ in Rögen. Dies erleichtere die schwierige Aufgabe, „in sich selbst funktionierende Organisationen zu einer noch besseren Einheit zusammenzulegen“, heißt es in dem Konzept. Das lehnte der Stadtrat jedoch in seiner Sitzung am 21. Juli ab und beschloss die Erneuerung und den Ausbau des Gerätehauses in Löbelstein.

Das wiederum war für die Aktiven aus Lützelbuch und Neu- und Neershof keine Alternative. Alle Versuche, die Stadträte von der Sinnhaftigkeit ihres Konzepts zu überzeugen, seien gescheitert, so die Kommandanten aus dem Coburger Osten. Man sei, wie Swenja und Stefan Franz sowie Stefan Büttner am Mittwochabend erklärten, enttäuscht über „die Ignoranz“ der Stadträte, an denen die Argumente abgeprallt seien. „Irgendwann wird man müde, und dann muss man aufhören“, sagte Stefan Franz. Seine Tochter Swenja ergänzte: „Mit dem Stadtratsbeschluss vom Juli ist unsere Motivation auf den Nullpunkt gesunken.“ Deshalb quittiere man den Dienst, was Swenja Franz nicht als Trotzreaktion verstanden wissen will. „Wir haben uns das lange und gut überlegt, uns fehlt die Zukunftsperspektive“, betonte Stefan Büttner. Lienhard Hofmann, Vorsitzender des Feuerwehrverein Neu- und Neershof, wurde deutlicher: „Wir haben im Stadtrat nur Ignoranz und Missachtung geerntet.“ Daran ändere eine Informationsveranstaltung der CSU nichts.

Stadtbrandinspektor Daniel Fritz sagte, „mir tut es weh, zwei Wehren zu verlieren“. Er habe die Entscheidung jedoch zu respektieren und dankte den scheidenden Aktiven, ebenso wie 3. Bürgermeister Thomas Nowak und Ordnungsamtsleiter Kai Holland, für ihren teilweise jahrzehntelangen Dienst. Trotz des Austritts von 32 Einsatzkräften sei der Brandschutz im Coburger Osten gesichert, betonte Fritz. Stadtbrandmeister Sebastian Sorge sagte, „die Bevölkerung braucht sich keine Gedanken zu machen, dass die Feuerwehr nicht mehr kommt“.

Kai Holland bedauerte den Austritt und verband dies mit dem Wunsch, dass einige Aktive den Weg vielleicht doch wieder in die Feuerwehr finden oder sich in anderen Vereinen ehrenamtlich engagieren. Holland verwies darauf, dass es zur Neuordnung des Feuerwehrwesens einen einstimmigen Stadtratsbeschluss gibt, der im Juli nach langer Diskussion auf der Grundlage demokratischer Regeln zustande gekommen sei. Diesen gelte es umzusetzen. Jetzt wolle man die Feuerwehr Löbelstein mit ihren derzeit rund 25 Aktiven stärken, betonte auch 3. Bürgermeister Thomas Nowak. Er zeigte sich überrascht von der Aktion am Feuerwehr-Depot: „Wir stärken das Ehrenamt in der Stadt, wo es nur geht. Doch wir müssen die Einsatzfähigkeit unserer Feuerwehr auch in Zukunft erhalten. Und dabei geht es eben auch um Effizienzsteigerung bei gleichbleibenden Standards“, wird der 3. Bürgermeister in einer Pressemitteilung der Stadt vom Mittwochabend zitiert.