Coburger Bundestagsabgeordneter „Corona wirkte wie Katalysator“

Der Coburger Grünen-Politiker Johannes Wagner äußert sich zur Abstimmung über die Krankenhausreform im Bundestag. Er wirft CSU-Ministerpräsident Markus Söder Versäumnisse vor.

 
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Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Johannes Wagner im Sommer beim Redaktionsgespräch in der Neuen Presse. Foto: /Michael von Aichberger

Der Bundestag stimmt am Donnerstag über die Krankenhausreform, das sogenannte Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG), ab. Gesundheitsminister Karl Lauterbach hält sie für dringend nötig, die Opposition befürchtet eine schlechtere Versorgung.

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Johannes Wagner ist Arzt aus Coburg und Mitglied im Gesundheitsausschuss für die Grünen. In einer Mitteilung erklärt er am Donnerstagnachmittag: „In Coburg haben wir bereits erleben müssen, was ein kalter Strukturwandel für Kliniken bedeuten kann. Mit der Übernahme von Regiomed durch Sana sind wir mit einem blauen Auge davongekommen.“ Im schlimmsten Fall hätte die Schließung von Standorten die Folge sein können, so Wagner weiter.

Die Insolvenz von Regiomed sei seiner Meinung nach nicht ausschließlich, aber auch auf die Fehler im bisherigen Finanzierungssystem zurückzuführen. „Eine rein auf Fallzahlen basierende Finanzierung musste irgendwann – die Corona- und Energiekrise wirkten wie Katalysatoren – an ihre Grenzen geraten.“

Nach „jahrelangem Reformstau“ sei das aktuelle Gesundheitssystem selbst zum Patienten geworden. Der immer dramatischer werdende Fachkräftemangel und wirtschaftliche Fehlanreize hätten vielen Kliniken zugesetzt. Die Reform stelle die Zukunft unserer Krankenhäuser auf sichere Füße, die Versorgungsqualität verbessere sich. Und Wagner versichert: „Patientinnen und Patienten werden sich darauf verlassen können, auch in Zukunft zur richtigen Zeit am richtigen Ort bestmöglich versorgt zu werden.“

Insbesondere kleine Krankenhäuser in ländlichen Räumen würden dank der Reform gestärkt. „Ein Anliegen, für das wir Bündnisgrüne uns besonders stark gemacht haben.“ Ein neues Modell der Finanzierung soll die Fallpauschalen ersetzen, mit dem die Absicherung von Versorgungsaufgaben bezahlt werde. „Mit dem neuen Typus Krankenhaus, den sogenannten sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen, erhält die Gesundheitsversorgung vor Ort ein starkes Zentrum“, ist sich Wagner sicher. Ländliche Krankenhäuser hätten als neue sektorenübergreifende Versorgungseinrichtungen (Level 1i) nicht nur eine sichere Zukunft, sondern seien auch ein wichtiger Baustein für die wohnortnahe Gesundheitsversorgung: Kurzzeitpflege, ambulante Behandlungen und kleinere stationäre Eingriffe ließen sich unter einem Dach finden.

Und: Das Gesetz reagiere kurzfristig auf die finanzielle Situation vieler angeschlagener Kliniken reagiert. Kostensteigerungen – vor allem beim Personal – würden nun schneller und insbesondere vollständig refinanziert werden. „Um die Krankenhäuser auf diesem Weg gut aufzustellen, werden für die Reform für die nächsten zehn Jahre insgesamt 50 Milliarden Euro bereitgestellt“, so Wagner. Bisher war im Gesetzentwurf vorgesehen, dass die Mittel zur Hälfte jeweils von der gesetzlichen Krankenversicherung und den Ländern kommen. „Hier konnten wir Grüne eine gerechtere Finanzierung erreichen, indem auch die private Krankenversicherung beteiligt wird.“

Für Geburtshilfe und Kinderheilkunde wollen „wir beste Bedingungen garantieren“. Beide Bereiche stärke die Reform besonders: Durch einen zusätzlichen jährlichen Förderbetrag in dreistelliger Millionenhöhe und mit einer Regelung, dass pädiatrische Einrichtungen nicht länger finanziell benachteiligt werden, wenn Kinder nach erfolgreicher Genesung früher entlassen werden können und zurück zu ihren Eltern dürfen. Zudem könnten sich Kinderkliniken dann regelhaft an der ambulanten Versorgung von kranken Kindern und Jugendlichen beteiligen, was wieder zur Entlastung der Kinderarztpraxen beitrage und die pädiatrische Versorgung in unterversorgten Gebieten absichere.

Wagner hält die Krankenhausreform für „absolut notwendig“ und sagt: „Wir gehen damit die Probleme der Unter-, Über- und Fehlversorgung gleichermaßen an.“ Die Kompetenz bei der Krankenhausplanung verbleibe damit nach wie vor ausschließlich bei den Ländern und gebe diesen „noch deutlich bessere Werkzeuge“ dafür an die Hand.

„Anstatt die bayerische Krankenhauslandschaft aktiv zu gestalten und auf veränderte Rahmenbedingungen zu reagieren, hat die Landesregierung sich bislang aus der Verantwortung gestohlen“, kritisiert der Grünen-Bundestagsabgeordnete. „Dadurch hat sie einen kalten Strukturwandel begünstigt und die Zukunft vieler Standorte aufs Spiel gesetzt. Im Zusammenspiel mit der verschleppten Finanzierungsreform im Bund ist das Gift für viele Krankenhäuser in Bayern. Mit der Krankenhausreform haben wir als Bundesregierung nun das Heft in die Hand genommen.“ Und: „Jetzt gibt es für Frau Gerlach und Herrn Söder keine Ausreden mehr.“ Anstatt die Schuld weiterhin in Berlin abzuladen, müsse die Landesregierung endlich ihre Hausaufgaben erledigen und anfangen, vernünftig zu planen.