Coburger Gymnasiasten üben echte Demokratie Verantwortung übernehmen

Lehrer Tobias Pohl lauscht aufmerksam den Ausführungen von Amelie. Foto: Elisabeth Müller/Elisabeth Müller

Über Demokratie nicht nur lesen und reden, sondern sie auch anwenden, dies ist ein Anliegen von Tobias Pohl. Mit seiner Klasse ruft er am „Alex“ ein Parlament ins Leben.

 
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„Liebe Mitschülerinnen und Mitschüler…“, genau sechs Mal war diese Anrede vergangene Woche im Klassenzimmer des Coburger Gymnasiums Alexandrinum zu hören. Einer Anrede, der kurze, leidenschaftliche Plädoyers folgten. Schülerinnen und Schüler der Klasse 9c erleben ihre erste Parlamentssitzung. Richtig, wie im politischen Leben, müssen sie ihre Meinung vertreten, diese gut begründen und vor der Klasse argumentieren. Nach Aufruf, mit der Bitte ans Pult zu treten, mit Zwischenrufen konfrontiert und dem Protokollleiter samt Glocke.

Die Idee stammt von Tobias Pohl, Deutsch-, Geschichts- und Sozialkundelehrer, der ein derartiges Projekt an seiner vorherigen Schule, dem Kronacher Frankenwald-Gymnasium startete und dafür in Berlin ausgezeichnet wurde. „Es ist so wichtig, Verantwortung zu übernehmen“, betont er immer wieder, „seine Meinung zu vertreten und demokratisch abstimmen zu können. So geht gelebte Demokratie.“ Noten auf die Reden gibt es keine, es gehe ausschließlich ums Diskutieren. Der Pädagoge schlüpft für die erste Sitzung aus der Rolle der Lehrkraft heraus und „wird der, der klingelt, nach vorne holt und protokolliert.“

Die Frage, über die diskutiert und abschließend entschieden werden soll, lautet, ob die Jugendlichen an einem Samstag ins Nürnberger Dokumentationszentrum des Reichsparteitags fahren möchten. „Und zwar ohne Shopping oder anderes Vergnügen, sondern rein zur Information dorthin“, wie Pohl anmerkt. Die Reden dazu sind leidenschaftlich und beinhalten fundierte und gut recherchierte Argumente. So setzt sich Yara vehement für einen Besuch in Nürnberg ein und verweist darauf, dass Geschichte nicht nur in der Vergangenheit, sondern in Gegenwart und Zukunft spielt und: „Jeder Einzelne muss etwas erfahren über diese dunkelste Geschichte unseres Landes, was ist gegen diese lange Zeit schon ein einziger Samstag?“, fragt sie. Ähnliches formuliert Klassenkameradin Julia: „Wir brauchen dieses Wissen“, betont sie, „diese Verantwortung ist eine Vorbereitung auf unser späteres Leben.“ Dazu sei es auch wichtig, nicht nur im Klassenzimmer zu sitzen.

Gegenwind kommt von Kameradinnen, die den Erholungswert des Wochenendes betonen, „ein Wochenende sollte ohne Schule sein“, so Amelie. Außerdem spielten Fahrtkosten eine nicht unerhebliche Rolle sowie aktuelle Baumaßnahmen rund um das Gelände erlaubten und nur eine teilweise Besichtigung zuließen. Eleonore betont das Recht auf Freizeit, die sie so gestalten wolle, wie sie es wünsche ohne sich nach anderen richten zu müssen. „Und es ist auch mal gut, keine aus der Klasse zu sehen“, fügt sie grinsend hinzu. Die Diskussion entspinnt sich auf sachlicher Ebene mit guten Argumenten, für die es von Tobias Pohl großes Lob gibt: „Ihr habt ganz toll geredet, super recherchiert und euren Standpunkt formuliert.“ Die Abstimmung, die dann zuungunsten der Fahrt ausging, habe ihn zwar persönlich schmerzlich berührt, da er die Exkursion sehr gerne durchgeführt hätte, doch dies sei eben Demokratie. Und die nächste „Parlamentssitzung“ steht in vier Wochen wieder an. Am Nikolaustag geht es weiter mit Diskussionen und Abstimmung.

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