Coburger im Genfer Kernforschungszentrum Der Traum eines jeden Physikers

Pia Dahlem
Florian Rehm gerät ins Schwärmen, wenn er von seinen Eindrücken am CERN in Genf berichtet Foto: Privat

CERN – das sind vier Buchstaben, die das Herz eines Wissenschaftlers höher schlagen lassen. Zwei Absolventen der Hochschule Coburg arbeiten dort momentan.

 
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Coburg/Genf - Zwei Absolventen der Hochschule Coburg forschen am weltweit begehrtesten Arbeitsplatz für Physikerinnen und Physiker: dem CERN, der Europäischen Organisation für Kernforschung in Genf. Der eine schreibt seine Bachelor- und der andere seine Doktorarbeit.

Florian Rehm gerät ins Schwärmen, wenn er von seinen Eindrücken am CERN in Genf berichtet: „Die Detektoren am Teilchenbeschleuniger sind so groß wie ein fünfstöckiges Haus und es arbeiten über fünftausend Menschen an dem Gerät. Es ist faszinierend, welche Technik und welches Knowhow da drinnen steckt.“ Leider hat die Corona-Pandemie ihm einen kleinen Strich durch die Rechnung gemacht, und er kann in den Wintermonaten nicht dort sein. Aber eben nur einen kleinen Strich, denn die Arbeit an seiner Promotion geht weiter, schließlich: „brauche ich im Moment nur eine Internetverbindung.“ Florian Rehm ist Absolvent der Hochschule Coburg; er macht jetzt seine Doktorarbeit an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen und führt seine Forschungen dazu am CERN durch. Er entwickelt eine neue Software, die die Simulationen für den Teilchenbeschleuniger berechnen soll. „Es gibt dazu ein Simulationsprogramm, das ist aber sehr langsam.“ Der Teilchenbeschleuniger wird bis 2028 ausgebaut und soll dann mit noch höheren Energien betrieben werden. Die Forscherinnen und Forscher werden verschiedene Experimente durchführen, um neue physikalische Erkenntnisse zu sammeln. Dafür werden riesige Mengen an Simulationsdaten benötigt. „Wenn man das jetzige System nehmen würde, bräuchte man dafür hundertmal mehr Hardware. Die Rechenzentren am CERN sind schon so gigantisch riesig, deswegen wird intensiv geforscht, wie man die Simulationen mit Methoden der Künstlichen Intelligenz und des Deep Learning, einer speziellen Methode der Informationsverarbeitung, beschleunigen kann“, erklärt Florian Rehm seine Arbeit.

Grundstein an der Hochschule

Die Ausbildung an der Hochschule Coburg hat den Grundstein für Florian Rehms heutige Forschungen gelegt: „Coburg war einfach schön, ich bin im Bachelorstudiengang Technische Physik richtig aufgegangen.“ Den Master hat er in Coburg in Simulation und Test gemacht. Erste Einblicke in die Teilchenphysik sammelte er bei seinem sechsmonatigen Praktikums-Aufenthalt am TRIUMF in Kanada. Dort hat Rehm auch seine Bachelorarbeit verfasst. Professor Michael Wick, Studiengangsleiter Engineering Physics, schickt seit mehreren Jahren regelmäßig Studierende nach Vancouver: „Das TRIUMF ist Kanadas nationales Forschungszentrum für Teilchenphysik und wir senden gerne talentierte Studierende für ein Praktikum dorthin.“ Dass sein ehemaliger Schützling Florian Rehm nun am CERN promoviert, freut ihn: „Er war einmal mit mir auf einer mehrtätigen Exkursion am CERN, dort hat er wohl Blut geleckt“, erinnert er sich lächelnd. „Wir sind stolz auf ihn und auch, dass er es mit dem Rüstzeug, das wir ihm in Coburg mitgegeben haben, dorthin geschafft hat.“

Florian Rehm bleibt bodenständig und berichtet: „Ich arbeite jetzt in der IT-Abteilung CERN openlab, die mit führenden Kommunikations-Technologie Unternehmen wie Google, Intel oder Microsoft zusammenarbeitet, um neue Zukunftstechnologien zu entwickeln und zu testen.“ Für seine Doktorarbeit an der RWTH Aachen wurde er für dieses Projekt ausgesucht. Sehr bescheiden gesteht er: „Damit habe ich gar nicht gerechnet, denn das ist für mich als Physiker das Größte, was es gibt!“

Während Florian Rehm hofft, bald wieder nach Genf zu können, ist Don Winter im Lockdown dortgeblieben und schreibt an seiner Bachelorarbeit – wenn auch per Telearbeit, wie die Schweizer zu Homeoffice sagen. Professor Wick betreut ihn und sieht kein Problem dabei: „Don Winter ist absolut auslandserfahren, er war auch schon im Rahmen seines Studiums ein Jahr lang an unserer Partneruniversität in Shanghai als Austauschstudent.“

Motivierte Kollegen

In seiner Bachelorarbeit am CERN testet Winter nun unter anderem Auslesechips und entwickelt Software für das neue Detektorsystem, welches im geplanten Ausbau des Experiments 2028 zum Einsatz kommt. Er hat sich am CERN für drei Projektpraktika beworben und wurde gleich für zwei ausgewählt: „Ich habe mich für das entschieden, das näher an der Physik liegt, nicht so sehr an der IT.“ Dabei hat er früher nie an ein Physikstudium gedacht: „Ich habe erst Design studiert, doch da ist mir aufgefallen, dass mir andere Dinge mehr Spaß machen: Informatik, Elektrotechnik und Physik.“ So setzt er damit einfach noch einen Bachelor drauf. Noch bis Ende April 2021 dauert sein Aufenthalt in der Schweiz. Trotz der eingeschränkten Möglichkeiten bekommt er viel mit. Von der Führung zum Detektor ist er überwältigt: „Es ist echt beeindruckend, neben der Technik des Detektors ist von der Architektur des Schachts bis zur Installation der Sicherheitssysteme alles bis ins Kleinste durchdacht.“

Hinter der Technik stecken natürlich Menschen, seine Kolleginnen und Kollegen der internationalen Forscherteams. Die erlebt er nur positiv: „Ich habe gedacht, dass hier alles sehr abgehoben ist. Aber die Leute sind sehr motiviert und alle wollen die Forschung voranbringen. Es ist eine super Atmosphäre bei der Arbeit.“ Nun weiß er genau, was er will: „Ich möchte natürlich den Master machen und auch eine Promotion – am liebsten am CERN.“

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