Coburger Kirschsorten Schätze aus dem Obstgarten

Pomologin Carina Pfeffer zeigt eine (noch) unbekannte Rarität aus Großheirath. Foto: Carina Pfeffer/Carina Pfeffer

Um seltene Kirschsorten vor dem Aussterben zu bewahren, startete im Frühjahr das Coburger Kirschsortenprojekt des Landratsamtes. Inzwischen hat die beauftragte Pomologin einige Seltenheiten gefunden – gesucht wird weiter. Alle Bürger können mithelfen.

 
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Carina Pfeffer ist auf Schatzsuche. Und sie hat bereits einige Schätze gehoben. Diese sind nicht aus Gold oder Purpur, sondern herrlich saftig und kugelrund: alte Kirschsorten. Bereits im Frühsommer hatte der Landkreis Coburg im Rahmen des „Streuobstpaktes Bayern“ diverse Aufrufe an die Bevölkerung gerichtet, um Standorte alter Kirschbäume in der Region zu ermitteln. Dieser Aufruf ist nach wie vor aktuell und Pomologin Carina Pfeffer allerdings ist froh, dass ihre Suche schon jetzt solche Erfolge erbracht hat. Bereits jetzt steht nämlich fest: „Das Ergebnis war überwältigend. Sehr viele Kirschbaumbesitzer haben uns geschrieben.“

Die Untersuchung der Obstkundlerin soll helfen, alte und seltene Sorten vor dem Aussterben zu bewahren. Die Region bietet sich dafür geradezu an: „Oberfranken verfügt noch über eine Vielzahl seltener Kirschsorten, die teilweise nirgendwo sonst anzutreffen sind. Dabei handelt es sich um geschmacklich hervorragende, bei uns seit langer Zeit angebaute Kirschen, die aber in den Baumschulen und den Geschäften schon lange nicht mehr angeboten werden”, verdeutlicht die Fachfrau. Da die alten Bäume nun aber ein Alter erreichen, in dem sie zusehends absterben, bestand Handlungsbedarf. „Sie sind größtenteils in sehr schlechtem Zustand und der derzeitige Klimawandel setzt den Bäumen besonders zu. Es gibt sie noch sehr selten, die alten Sorten - leider sind sie größtenteils in Vergessenheit geraten”, bedauert Carina Pfeffer und hofft: „Aber vielleicht kennt doch noch jemand einen oder mehrere der alten Bäume und kann so bei dem Projekt mithelfen, diese Sorten aufzufinden. Das Ziel des Kirschenprojektes ist es, die alten Bäume zu finden, deren Namen zu identifizieren und sie wieder zu vermehren. Nur so kann dieser Schatz gesichert und für unsere Kinder und Enkel gerettet werden. Denn es sind die alten Sorten, die hier zuhause sind und gut zurechtkommen.”

Wichtig für die Pomologin ist dabei, möglichst auch den Sortennamen zu erfahren. „Beispielsweise den Namen, den die Großmutter immer verwendet hat und noch kannte“, meint sie. Allerdings habe sich gezeigt, dass in dem Bereich fast kein Wissen mehr vorhanden ist. „Dies entspricht der Kenntnis bezüglich Sortennamen über ganz Deutschland hinweg. Sortenkenntnisse sind so gut wie nicht mehr in der Bevölkerung vorhanden. Dies war vor 50 Jahren noch anders, da wussten die Leute noch, welche Sorten sie im Garten stehen hatten“, erläutert sie und macht deutlich, was sich seither verändert hat: „Noch vor 100 Jahren existierten mehrere hundert verschiedene Kirschsorten. Jede Gegend hatte eigene, besonders an die Region angepasste Sorten, die einen Erntezeitraum von Mitte Mai bis Juli abdeckten. Alle Farbnuancen von hellgelb über orange-rot bis tief schwarz existierten und das in den verschiedensten Geschmacksrichtungen und für diverse Verarbeitungszwecke.“ Heutzutage sei von dieser Fülle an Kirschsorten lediglich noch sechs Stück in Baumschulen zu erwerben. „Und selbst dies ist nicht gewiss“, so Carina Pfeffer. Zudem würden all diese Sorten Ende Juni bis Mitte Juli reifen. „Die spät reifenden Sorten werden auch von der Kirschfruchtfliege befallen und verderben vielen Leuten die Lust auf Kirschen. Diese wenigen alten Sorten, die noch im Anbau sind, bedeuten eine extreme genetische Verarmung.“

Umso erfreulicher sei, dass im ersten Schritt des Coburger Kirschsortenprojektes bereits einige schöne Funde gemacht werden konnten. „So tauchte natürlich das Coburger Maiherz auf, welches für die Gegend berühmt ist und noch hin und wieder angetroffen werden kann. Aber auch noch andere seltenere Sorten, wie zum Beispiel Sendelbacher - frühreif, schwarz-rot- und die Großrote - mittelfrüh reif, gelb-rot - sowie Haumüller Mitteldicke - spät reif, schwarz-rot - sind aufgetaucht.“ Insgesamt jedoch seien im Landkreis Coburg nicht mehr allzu viele Kirschbäume vorhanden. „Jährlich sterben weitere ab“, mahnt die Pomologin. „Deshalb ist es so wichtig, dass wir Hinweise aus der Bevölkerung erhalten, auf welcher Wiese oder in welchem Garten noch alte Kirschbäume stehen. Denn es ist durchaus zu erwarten, dass der eine oder andere Kirschen-Schatz noch auf eine Wiederentdeckung wartet und so vor dem Aussterben bewahrt werden kann.“ Die Bäume jedoch, die bisher gefunden wurden, seien zumeist „in keinem guten Zustand, also kurz davor, gänzlich abzusterben“. Mit Carina Pfeffer kommt die Rettung: Sie veredelt die alten Sorten auf junge Bäume und kann diese so erhalten.

Immerhin: Kirschbäume können gut und gerne 130 Jahre alt werden. „Dies ist ein großes Glück, da sich nach Ende des zweiten Weltkrieges kaum noch jemand mit der Vermehrung der alten Sorten beschäftigt hat und in den letzten 50 Jahren eigentlich niemand mehr“, weiß die Obstkundlerin, die betont: „Dadurch, dass sie so ein hohes Alter erreichen können, hatten zumindest ein paar wenige Sorten die Chance, bis heute durchzuhalten.“ Finde sich ein alter Baum, so könne dessen Alter „mit geschultem Auge“ in etwa abgeschätzt werden. In ihnen schlummere ein unglaubliches Potenzial. „Keiner weiß, wie sich das Klima auf der Erde in den nächsten Jahren noch entwickeln wird. Gewiss ist aber, dass es einige Herausforderungen geben wird, und unsere Obstbäume habe jetzt schon oft extreme Probleme mit den trockenen, heißen Sommern“, so Carina Pfeffer. Die Gene der alten Sorten jedoch verfügen über Eigenschaften, die Bäume im zukünftigen Obstanbau fit machen können für die klimatischen Herausforderungen.

Das Kirschprojekt ist noch lange nicht am Ende; es ist über mehrere Jahre angelegt. Als Obstkundlerin ist Carina Pfeffer auf Kirschen spezialisiert, untersucht aber auch andere Obstsorten wie Äpfel und Pflaumen. Kirschen sind jedoch ihre ganz besondere Leidenschaft. So recherchiert sie in Archiven, spricht mit Baumbesitzern, kartiert seltene Sorten auf Wiesen und in Gärten, hält Vorträge und Seminare zum Thema Kirsche ab. Wer Standorte alter Kirschbäume im Coburger Land kennt, kann sie unter info@pfeffer-land.de oder telefonisch unter 02205/2095 erreichen. Auch Frank Reißenweber vom Landschaftspflegeverband Coburger Land e.V. nimmt Hinweise unter 09561/541 4409 oder unter frank.reissenweber@landkreis-coburg.de entgegen.

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