Coburger Kunstsammlungen Der große Meister und die falsche Mätresse

Druckgrafik wie diese Darstellung des Sächsischen Prinzen Johann Friedrich I. steht i Mittelpunkt der großen Cranach-Ausstellung im Sommer. Foto: Kunstsammlungen /Lutz Naumann

Die Kunstsammlungen der Veste und das Europäischen Museum für Modernes Glas planen ihr zweites Jahr unter Corona. Im Zentrum steht Lucas Cranach, am Anfang ein Coburger Romantiker und sein Modell.

 
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Coburg - Reisegruppen stornierten, Touristen aus dem Ausland blieben aus und mehrere Monate ging gar nichts mehr. Klagen möchte der Direktor der Kunstsammlungen der Veste dennoch nicht: „Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen“, meint Dr. Sven Hauschke. Vor allem von August bis Oktober besichtigten viele Einzelbesucher und Familien Coburg und seine „Fränkische Krone“, die ansonsten wohl ihren Urlaub in der Ferne verbracht hätten. Kompensieren konnte das den Rückgang zwar nicht, aber „es hat uns gezeigt, dass wir attraktiv sind“, sagt der Museumsdirektor, den es vor allem freut, neues Publikum gewonnen zu haben. Trotz der Lockdowns fanden alle Ausstellungen statt, „nichts wurde abgesagt oder verschoben“.

Auch im neuen Jahr hofft das Veste-Team alles präsentieren zu können, was von langer Hand vorbereitet worden ist. Im Mittelpunkt wird Lucas Cranach d. Ä. stehen: Die große Sommerausstellung „Bild und Image – Cranach im Dienste des Hofes“ widmet sich vor allem dem druckgrafischen Werk des 1472 in Kronach geborenen Renaissance-Stars. Als Hofkünstler schuf er Bilder, die das dynastische, politische und religiöse Selbstverständnis der sächsischen Kurfürsten zum Ausdruck brachten. Neben Malerei entstanden zahlreiche Holzschnitte und Kupferstiche, die in ihrer Prägnanz bis heute unsere Vorstellung von der höfischen Kultur seiner Auftraggeber prägen.

Bei der Gestaltung der Ausstellung kann die Kuratorin Dr. Stefanie Knoll aus dem reichen Bestand der Kunstsammlungen schöpfen und auf Leihgaben verzichten: „Damit sind wir flexibel trotz Corona“, erklärt Hauschke. Der Bogen spannt sich von den politisch bedeutsamen Porträts der Kurfürsten über religiöse und mythologische Szenen bis zu faszinierenden Turnierdarstellungen. Knoll weiß genau, welche Cranach-Schätze im riesigen Kupferstichkabinett der Veste lagern: Die Kunsthistorikerin hat den Bestand gemeinsam mit zwei Kollegen in einem mehrjährigen Projekt wissenschaftlich untersucht sowie katalogisiert und 2020 den Band „Cranach in Coburg“ veröffentlicht.

In der ersten Ausstellung des Jahres wird eine Frau rehabilitiert, die Veste-Besuchern bislang als Mätresse des Coburger Herzogs Leopold vorgestellt wurde. In Wahrheit war die anmutige Dame, deren Konterfei im Fürstenbau hängt, ein berühmtes italienisches Modell, das unter anderem vom Coburger Maler Friedrich Müller (1795–1834) porträtiert wurde. Diesem talentierten Romantiker ist die Studio-Ausstellung gewidmet, die offiziell am 4. März beginnt und nach Stand der Planung frühestens ab 7. März besucht werden kann.

Der Ausstellungstitel „Schön wie ein Schadow. Das Porträt der Fortunata von Friedrich Müller“ verweist auf die Auseinandersetzung des Künstlers mit seinem großen Vorbild Wilhelm Schadow. Die Ausstellung gestaltet Dr. Nils Fleck, der die wahre Geschichte des Gemäldes aus der Sammlung Leopolds erforscht hat.

Ein neues Forum für junge Kreative stellen die Kunstsammlungen Ende April vor: Das Gewölbe im Kellergeschoss des Herzoginbaues, das beim Internationalen Glaspreis 2014 stimmungsvoll bespielt wurde, verwandelt sich erstmals in ein „Labor“. Als Ausstellungsraum mit experimentellem Charakter soll es fortan jungen Künstlern und Wissenschaftlern offenstehen, eine Zusammenarbeit mit der Hochschule Coburg ist geplant. Zum Auftakt macht die Wanderausstellung „Glass Works – European Glass Lives in Craft, Art and Industry“ hier Station. Neun internationale Stipendiatinnen und Stipendiaten zeigen die Ergebnisse ihrer Auseinandersetzung mit traditioneller Glaskunst.

Der Neuzugang im Team der Kunstsammlungen gibt im Herbst sein Ausstellungsdebüt: Erfindungen in der barocken Waffenkonstruktion präsentiert Dr. Marcus Pilz im Studio. Im Kontext der damaligen Faszination für feinmechanische Objekte kam es in der Zeit um 1700 zu zahlreichen Innovationen. Am Beispiel der Augsburger Familie Wetschgi werden Vermarktungsstrategien und Selbstdarstellung einer barocken Büchsenmacher-Familie dargestellt. Den dazugehörigen Katalog hat noch sein Vorgänger Dr. Alfred Geibig Ende 2020 veröffentlicht.

Wie Glaskunst von der Vitrine an die Wand kam und damit auch in der Wahrnehmung vom Kunsthandwerk zum Kunstwerk avancierte, zeigt Sven Hauschke im Europäischen Museum für Modernes Glas. Noch in den 1970er-Jahren schufen Glaskünstler/innen vornehmlich kleine Objekte, die in Schaukästen präsentiert wurde. „Seit etwa 15 Jahren drängt die Glaskunst an die Wand“, erläutert der Experte, der 30 Objekte aus den vergangenen 50 Jahren vorstellen wird. „Zu sehen sind frühe dekorative Glasarbeiten und Objekte, die optischen Phänomenen nachspüren und mit Licht und Spiegelungen arbeiten. Neben Werken, die Geschichten erzählen und Botschaften vermitteln, finden sich auch Landschaften und abstrakte Wandbilder“, so Hauschke.

Nicht nur diese Sonderausstellung lohnt den (erneuten) Besuch de Glasmuseums im Park der Rosenau, wenn er denn möglich sein wird: Die Zeit der Schließungen wurde genutzt, um die Dauerausstellung umzubauen und kräftig aufzufrischen: 80 neue Objekte sind nun zu sehen, darunter viele Neuwerbungen. In einer Doppelvitrine gibt es ein „Nachspiel“ der letztjährigen Ausstellung von Werken des venezianischen Künstlers Fulvio Biancini.

Das Glasmuseum und die Schauräume der Veste hofft die Museumsleitung ab einen Inzidenzwert von 35 wieder für das Publikum öffnen zu können. Auch Führungen und Einblicke hinter die Kulissen des Museums per Video sind geplant. „Wir hoffen jedoch sehr, dass Ferienprogramme und Angebote für Kinder und Familien auch wieder vor Ort umgesetzt werden können“, ergänzt Cornelia Stegner, die für die Bildungsangebote der Kunstsammlungen zuständig ist.

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