Coburger Tierarzt Rettung für verstoßenes Storchenkind

Wolfgang Desombre

In Weidhausen hat ein Adebar-Paar einen Jungvogel aus dem Horst geworfen. Tierarzt Joachim Lessing pflegt ihn nun erst einmal gesund.

 
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Storchi: So nennt Tierarzt Joachim Lessing seinen kleinen Schützling, der vor gut zwei Wochen von seinen Storchen-Eltern aus dem Nest bei Trübenbach gestoßen wurde und um den er sich seither kümmert.

Wie er erzählt, hätten Anwohner bereits nach dem Schlüpfen von ursprünglich drei Jungtieren Anfang Juni beobachtet, wie zwei der drei Nachkommen recht zeitnah verstorben seien. Das dritte überlebende Junge habe dann immer recht nah am Rand des Horstes gestanden und offenbar auch nicht mehr gefressen. „Dann schmeißen die Eltern das Junge aus dem Horst“, erläutert Lessing das Verhalten. „Das ist in der Natur leider so, wenn der Nachwuchs nicht mehr frisst.“

Nach dem Drama am Horst hatten die Anwohner zunächst den Landesbund für Vogelschutz (LBV) informiert. Wildtierbeauftragter Julian Hauschild machte sich sogleich auf den Weg, um das junge Storchenkind zu retten und es für die weitere fachgerechte Pflege an Joachim Lessing zu übergeben.

Der junge Storch sei zwar unverletzt gewesen, habe aber tatsächlich keine Nahrung mehr aufgenommen, erläutert der Tierarzt. Eine Untersuchung habe dann eine massive Darmverstopfung ergeben, schildert er das Problem. Bedingt durch die Trockenheit würden die Storcheneltern Würmer in der sehr trockenen Erde suchen und dabei mit ihren Schnäbeln auch immer viel Erde mit aufnehmen. Die jungen Störche, so Lessing, würden durch den enormen Futterdruck, alles – von Stroh bis Kot – fressen, was im Horst liegt. Letztendlich verklumpe das dann im Darm und werde „bretthart“.

Um den Jungvogel zu retten, habe er ihn regelmäßig klistiert und zudem mit einer Sonde Paraffinöl verabreicht. Dadurch sei die Verdauung wieder in Schwung geraten. Mit Erfolg: Nach der Behandlung hatte Storchi ordentlich Hunger. „Auf einen Schlag hat er sechs Futterküken auf einmal hineingeschlungen“, erinnert sich Joachim Lessing. „Es ist für die Jungstörche überhaupt kein Problem 20 bis 30 solcher Küken am Tag zu verspeisen, da sie ein ungeheures Wachstum haben.“

In maximal vier Wochen, so der Tierarzt, müsse Storchi dann ausgewildert werden. „Damit er nicht auf den Menschen fehlgeprägt wird, bei mir ist er ja Einzelkind“, erläutert er. Im Coburger Land finde sich jedoch kein passendes Nest, wo man ihn einfach hineinsetzen könnte. Deshalb sucht Joachim Lessing derzeit in Hessen und Baden-Württemberg nach einer passenden Unterkunft. In der Regel würden die Altvögel die hinzugesetzten Jungstörche auch problemlos annehmen. Bis dahin aber wird Storchi genau das tun, was zu einem entspannten Storchenkinderalltag gehört: fressen, schlafen und sein Gefieder putzen.

Leider kommt es immer wieder vor, dass Jungstörche tot in der Umgebung des Horstes aufgefunden werden. So berichtete der Storchenbeauftragte des LBV, Hans Schönecker, in seinem Newsletter für die aktuelle Storchensaison von einem verunglückten Jungen am Fuße des Horstes in Sonnefeld. Auch beim Mobilfunkmast in Dörfles, auf dem ein Horst eingerichtet ist, war Mitte Juni ein bereits skelettierter Jungvogel gefunden worden. Zwei gesunde Geschwister saßen hingegen noch im Horst.

Storchi hatte mithin besonderes Glück – war er doch rechtzeitig in die Obhut von Tierarzt Joachim Lessing gekommen. Wie viele Wildvögel der Coburger Tierarzt in den letzten Jahren untersucht, behandelt, versorgt und wieder ausgewildert hat, lässt sich nur schwer schätzen. Aber mit Sicherheit hat er vielen dieser Wildvögel – und auch zahlreichen anderen Tieren – das Leben gerettet. Und eben auch das von Storchi.

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