Corona in den Haßbergen „Die Lage spitzt sich dramatisch zu“

108 Neuinfektionen vermelden die Haßbergen am Donnerstag. Landrat Wilhelm Schneider und Gesundheitsamt-Leiter Jürgen Reimann schlagen Alarm: Auch die Behörden kommen an ihre Grenzen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Aktuell gelten im Landkreis 750 Personen als mit dem neuartigen Virus infiziert. 20 von ihnen müssen stationär in Kliniken behandelt werden, drei davon intensivmedizinisch. Foto: picture alliance/dpa/Jan Woitas

Kreis Haßberge - Auch am Donnerstag liegt die Inzidenz in den Haßbergen an der Spitze der Werte in Unterfranken – wenn auch mit leichtem Rückgang. 530,4 meldet das Robert-Koch-Institut (Vortag: 547), über der 500er-Marke liegt nun auch der Nachbarkreis Rhön-Grabfeld (513,4). Trotz dieser Rekordzahlen ist man zum Glück noch entfernt von den (nieder-)bayerischen Spitzenreitern, den Landkreisen Rottal-Inn mit 1356,6 und Freyung-Grafenau mit 1272,4. Doch die Lage spitze sich auch im Landkreis dramatisch zu, heißt es am Donnerstag aus dem Landratsamt in Haßfurt. Allein am Mittwoch wurden in den Haßbergen 94 weitere Corona-Fälle gemeldet, am Donnerstag meldet das Gesundheitsamt 108 Neuinfektionen. Aktuell gelten im Landkreis 750 Personen als mit dem neuartigen Virus infiziert. 20 von ihnen müssen stationär in Kliniken behandelt werden, drei davon auf der Intensivstation.

Nach der Werbung weiterlesen

„Der größte Teil der Neuinfektionen wird entdeckt, da die Betroffenen ein Ergebnis über einen positiven Schnell- oder Selbsttest haben“, berichtet Landratsamtssprecherin Monika Göhr. Es handle sich überwiegend um Einzelfälle, ein größeres „Cluster“, also eine konkrete Anhäufung von Fällen, sei nicht zu erkennen. Aktuell betroffen sind laut Göhr fünf Einrichtungen, zehn Kindertagesstätten und 18 Schulen mit insgesamt 39 Klassen. Auch bei privaten Feiern und Treffen, innerhalb der Familie und auch bei Vereinstreffen und -aktivitäten finden die Ansteckungen statt.

„Ein solches Infektionsgeschehen auf so breiter Ebene zeigt, dass das Virus mitten unter uns ist“, sagt Landrat Wilhelm Schneider. Umso wichtiger sei es, dass jeder Einzelne Verantwortung übernehme und gut auf sich und seine Nächsten aufpasse. Nachdem mittlerweile erwiesen sei, dass auch Geimpfte das Virus weitergeben können, laute die dringende Empfehlung an jeden Einzelnen, freiwillig soziale Kontakte soweit möglich zu vermeiden, sich an die Hygiene-Maßnahmen zu halten, Versammlungen und Veranstaltungen nur noch dann abzuhalten oder zu besuchen, wenn diese dringend nötig und nicht aufschiebbar sind, und vor dem Besuch von vulnerablen Gruppen einen freiwilligen Selbsttest durchzuführen.

Seitdem in Bayern wieder der Katastrophenfall gilt, tritt die Führungsgruppe Katastrophenschutz des Landkreises Haßberge wieder einmal wöchentlich zusammen, um die aktuelle Lage zu bewerten und weitere Maßnahmen zu besprechen, wie es aus dem Landratsamt heißt.

Wie mehrfach berichtet geht es dabei vor allem auch darum, die Kapazitäten im Impfzentrum wieder weiter auszuweiten. Die beiden Impfzentren Hofheim und Zeil, die der BRK-Kreisverband Haßberge im Auftrag des Landkreises im Rotkreuzhaus Hofheim und in der Tuchangerhalle Zeil betrieben hatte, waren zum 30. September geschlossen worden; das Landratsamt hatte daraufhin die Betreiberschaft für ein Impfzentrum im Landkreis ab 1. Oktober bis vorerst 30. April 2022 neu ausgeschrieben. Ein zweites Impfzentrum im Landkreis sollte es ab diesem Datum nicht mehr geben. Der BRK-Kreisverband Haßberge, bisheriger Betreiber, konnte sich mit seinem Angebot nicht durchsetzen, der Zuschlag ging an die Firma Ecolog, die seit Oktober das nun einzige Impfzentrum Haßberge in der Königsberger Stadthalle betreibt. Mit derzeit 60 Impfungen am Tag, was nun auf 120 täglich verdoppelt werden soll.

Zusätzlich wolle man das „niedrigschwellige“ Angebot für Erst- und Zweitimpfungen sowie Auffrischungsimpfungen in Zusammenarbeit mit den Gemeinden flächendeckend ausweiten, erklärt der Landrat. Besonders ältere Menschen könnten von einer reduzierten oder schnell nachlassenden Immunantwort nach ihrer vollständigen Covid-19-Impfung betroffen sein, weshalb eine Auffrischungsimpfung („Boostern“) für sie besonders wichtig sei.

Schneider bittet die Landkreis-Bürger um Verständnis für die aktuell sehr dynamische Lage. „Nach der vorgeschriebenen Schließung und Abwicklung der Impfzentren müssen nun kurzfristig völlig neue, dezentrale Strukturen geschaffen werden“, sagt er. Daran würden alle Beteiligten aktuell mit aller Kraft arbeiten. Sein Dank gelte auch allen Kommunen für die gute Zusammenarbeit und Unterstützung bei den Impfaktionen mit mobilen Teams vor Ort, die zuletzt für lange Warteschlangen unzähliger Impfwilliger gesorgt hatten (die Neue Presse berichtete).

Auch Dr. Jürgen Reimann, Leiter des Gesundheitsamtes, zeigt sich angesichts der aktuellen Situation besorgt. „Das Infektionsgeschehen ist wie ein Tsunami“, formuliert er und verspricht: „Wir versuchen alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um das Coronavirus zu bekämpfen.“ Bei der Kontaktnachverfolgung arbeite man wieder im Schichtbetrieb, und auch bei der telefonischen Impfberatung würden die Drähte glühen, ebenso beim Bürgertelefon des Landratsamtes.

„Die Hotlines sind teilweise überlastet“, berichtet Pressesprecherin Monika Göhr. Mit einer weiteren Personalaufstockung solle auch dieses Problem behoben werden.

Dankbar ist Landrat Wilhelm Schneider jetzt schon für die vielfältige Unterstützung, die die Behörde bei der Bewältigung der Pandemie erhält. Neben der Bundeswehr leisten auch mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus anderen Ämtern, Sachgebieten und anderen staatlichen Behörden wieder Amtshilfe. „Ich möchte mich bei allen ganz herzlich bedanken, deren Einsatz jetzt wieder verstärkt gefordert ist“, so der Landrat: Das gelte für die Mitglieder der Führungsgruppe Katastrophenschutz, für Bundeswehr, Polizei, BRK, Feuerwehr, THW und für die niedergelassenen Ärzten sowie Kommunen, Bürgermeister, Schulamt, Schulen und Kindertagesstätten, sowie auch für alle Mitarbeiter im Gesundheits- und Landratsamt.