Gemüse und Fleisch gibt es nur noch per Liefer-App
Auf der anderen Seite jedoch sorgen sich Menschen mit einem sechsstelligen Jahresgehalt über zu Neige gehende Essensvorräte. „Es ist Tag 16 von unserem Lockdown in Shanghai, und Essen ist das derzeit Wichtigste in den Köpfen der Menschen“, berichtet Jared Nelson, der in der ostchinesischen Finanzmetropole als Anwalt arbeitet. Auf seinem persönlichen Twitter-Account schreibt er vom derzeit tristen Alltag: Liefer-Apps seien die einzige Möglichkeit, um an Gemüse oder Fleisch zu kommen. Doch die Online-Dienste sind heillos überlastet, wie Nelson schreibt: „Gestern bin ich um 6 Uhr morgens aufgestanden, um eine Bestellung aufzugeben – aber nichts war verfügbar. Heute bislang dasselbe Resultat.“
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Einwohner Schanghais entladen ihren Frust in den sozialen Medien
Für weniger privilegierte Bevölkerungsschichten kommt dies einer existenziellen Bedrohung gleich. Im Internet kursieren immer mehr Videos, in denen sich der angestaute Frust entlädt: „Wir wollen essen!“, rufen die wütenden Anwohner einer Shanghaier Wohnanlage im Chorus. Die Aufnahme, welche mit dem Smartphone aus einem Fenster gefilmt wurde, löschten die Zensoren schnell aus dem chinesischen Netz.
Dort kursiert derzeit auch eine Notiz der Behörden, die vor Lebensmittelvergiftungen warnt. Zuvor hatten einige Anwohner in Shanghai Pflanzen entlang von Verkehrsstraßen geerntet – offenbar in der fälschlichen Annahme, dass es dabei sich um Lauch handeln würde.
Offizielle Coronadaten stimmen nicht unbedingt
Zudem zeichnet sich erneut ab, dass die offiziellen Coronadaten wohl nur einen Teil der Wahrheit abbilden: Wie eine Recherche des „Wall Street Journal“ ergab, haben sich etliche Mitarbeiter und Senioren in einem Shanghaier Altenheim mit dem Virus angesteckt. Zeugen berichten von mehreren Toten, die in den letzten Tagen in Leichensäcken abtransportiert wurden. In den offiziellen Statistiken tauchen sie jedoch nicht auf.
Familien werden unter Zwang von ihren infizierten Kindern getrennt
Für den größten Aufschrei sorgten jedoch mehrere Videoaufnahmen aus einem Covid-Krankenhaus für Kinder: Darin sind Babys in Gitterbetten zu sehen, versorgt von Personal in weißen Schutzanzügen. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, wurden offenbar mehrere Familien unter Zwang von ihren Covid-infizierten Kindern getrennt. In einem Fall war das Neugeborene keine 60 Tage alt. Der französische Generalkonsul hat daraufhin ein Schreiben aufgesetzt, in dem er – stellvertretend für EU-Mitgliedstaaten – die Regierung dazu auffordert, die grausame Praxis zu beenden.
Lockerungen sind erst einmal nicht vorgesehen
Doch eine generelle Lockerung der Maßnahmen wird es auf absehbare Zeit nicht geben. Erst am Samstag besuchte Chinas Vize-Premierministerin Sun Chunlan den Corona-Hotspot Shanghai. Bei ihrem Inspektionsbesuch sagte sie der Presse, man werde „unbeirrt“ an der Null-Covid-Strategie festhalten. Sie erwarte von den Behörden „rasche“ Maßnahmen, um das Infektionsgeschehen unter Kontrolle zu bringen.