Coronaimpfung Gibt es Langzeitfolgen?

Gerlinde Felix und Bettina Hartmann
Fußball-Profi Joshua Kimmich fürchtet Langzeitfolgen bei Coronaimpfung. Foto: dpa/Sven Hoppe

Noch nie wurden Impfstoffe so schnell entwickelt wie die Coronavakzine. Viele sorgen sich daher um Spätfolgen. Auch Bayern-Star Joshua Kimmich begründet damit sein Zögern bei der Impfung. Warum diese Annahme falsch ist.

 
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Die schnelle Impfstoffentwicklung bei Sars-Cov-2 verunsichert manche Menschen. Ihre Befürchtung lautet, die Impfstoffe seien nicht ausreichend getestet. Auch Bayern-Star und Fußball-Nationalspieler Joshua Kimmich begründet es mit der Furcht vor Langzeitfolgen, dass er sich bisher nicht impfen hat lassen. Doch ist das berechtigt? Gibt es beim Impfen überhaupt Langzeitfolgen?

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Zunächst ist zu sagen, dass jeder selbst entscheiden kann, ob er sich impfen lässt oder nicht. Sogar Thomas Mertens, der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), hält die erhitzte öffentliche Diskussion um den Impfstatus von Kimmich für überzogen: „Es ist seine persönliche Entscheidung, und die soll es auch bleiben“, sagte Mertens der „Bild“-Zeitung. Die Debatte sei „ein grenzenloser Unfug“.

Wissenschaftler entkräften Bedenken

Gleichzeitig hat Mertens die Bedenken Kimmichs deutlich entkräftet, wie auch zahlreiche weitere Wissenschaftler. In der Wissenschaft sei man sich einig, dass spät auftretende Nebenwirkungen nach einer Impfung „nicht vorkommen, beziehungsweise eine extrem seltene Rarität bei einzelnen Impfstoffen“ gewesen seien, so Mertens.

Der Immunologe Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, stieß ins selbe Horn: „Dass ich heute geimpft werde und nächstes Jahr eine Nebenwirkung auftritt, das gibt es nicht, hat es noch nie gegeben und wird auch bei der Covid-19-Impfung nicht auftreten.“

Doch wieso konnten die Impfstoffe überhaupt so schnell entwickelt werden? Merkwürdig, wie manche meinen, ist daran gar nichts. Die rasche Entwicklung und Zulassung ist einem beschleunigten Zulassungsverfahren zu verdanken, dem so genannten Rolling-Review-Verfahren. Beschleunigt bedeutet dabei allerdings nicht, dass die Testphasen verkürzt wurden, sondern dass mehrere Prüfphasen zeitgleich durchgeführt wurden.

Nebenwirkungen kann es immer geben

Bei der Diskussion werden jedoch Begriffe verwechselt oder besser: Es gibt Missverständnisse. Wie bei jeder Impfung reagiert das Immunsystem innerhalb weniger Stunden nach dem Piks. Das ist normal und so gewünscht.

Bei manchen Menschen fällt die Reaktion stark aus – sie klagen etwa über Schmerzen an der Einstichstelle und im Weiteren über Erschöpfung, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Schüttelfrost, Gelenkschmerzen, Fieber und Durchfall. Andere spüren wenig oder gar nichts. So oder so: Bei den Reaktionen handelt es sich um Nebenwirkungen. Langzeitfolgen oder Langzeit-Nebenwirkungen hingegen wären etwas völlig anderes.

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„Die Erfahrungen mit vielen Impfstoffen über viele Jahre haben gezeigt, dass die meisten Nebenwirkungen kurz nach der Impfung auftreten, innerhalb von Stunden und Tagen, manchmal auch Wochen“, bestätigt Susanne Stöcker, die Sprecherin des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) in Langen, dem Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel. Nebenwirkungen also: ja, Langzeitfolgen: nein.

Angst ist unbegründet

Aber könnte es nicht doch noch nach Jahren zu unerwünschten Folgen kommen? Langzeiterfahrungen mit den Impfstoffen fehlen zum gegenwärtigen Zeitpunkt in der Tat. Das PEI bezieht jedoch eine eindeutige Position: „Langzeitnebenwirkungen, die erst nach Jahren auftreten, sind bei Impfstoffen generell nicht bekannt.“

Aber was war dann vor ein paar Jahren in Skandinavien und Irland infolge der Pandemrix-Impfung gegen die Schweinegrippeviren? In etwa 1300 Fällen trat Monate und Jahre danach die Autoimmunerkrankung Narkolepsie auf, bei der es tagsüber zu Schlafattacken kommt.

Manche Nebenwirkungen halten lang an

Tatsächlich war dies aber keine Spätfolge, sondern eine seltene, lang anhaltende Nebenwirkung. Obgleich erste Symptome schon wenige Tage und Wochen nach der Impfung auftraten, wurde sie erst spät entdeckt.

Vor der Zulassung des Pandemrix-Impfstoffs waren auch nur etwa 1600 Menschen damit geimpft worden. Mit dieser kleinen Zahl an Probanden kann man aber eine derart seltene Nebenwirkung in der Prüfungsphase nicht entdecken. „Dafür braucht es mehrere 100 000 Menschen oder sogar Millionen geimpfter Menschen“, so Stöcker. Bei den Coronavakzinen gab es daher intensive Testreihen.

Warnung vor Long-Covid

Was Joshua Kimmich betrifft, warnte Ingo Froböse, Professor für Prävention und Rehabilitation im Sport an der Deutschen Sporthochschule Köln, tatsächlich vor Langzeitfolgen – allerdings durch Long-Covid nach einer Covid-19-Erkrankung.

Auch Kimmich gehöre zur gefährdeten Gruppe, nach einer möglichen Coronainfektion möglicherweise an Spätfolgen zu leiden. „Das Risiko, das er hier eingeht, ist ziemlich groß. Die großen Probleme bei den nichtgeimpften Sportlern ergeben sich durch Long-Covid“, sagte Froböse im ARD-„Morgenmagazin“.

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