Coronaopfer Kultur Sie zahlen drauf bei jeder Show

„Die Kulturszene wird merklich kleiner“: Varietékünstler Markus Geuss (rechts) und Veranstalter Wolfgang Heyder sind besorgt. Foto: Dieter Ungelenk

Corona hat die Veranstaltungswirtschaft tief in die Krise gerissen. Beim Fachgespräch mit dem SPD-Landesvorsitzenden wird klar: Die Branche braucht Hilfe und klare Regeln.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Ahorn - In der Kasse herrscht Ebbe, die Staatshilfen fließen zäh, die Bürokratie zehrt an den Nerven und die Kundschaft bleibt aus: Corona hat die Kulturszene in eine tiefe Krise gerissen – und mit ihr die gesamte Veranstaltungswirtschaft. „Wir legen drauf bei jeder Show!“, sagt Bastian Knoch, der stellvertretende Geschäftsführer der Rödentaler Konzertagentur Friedrich.

Auch sein Kollege Wolfgang Heyder, Chef des Veranstaltungsservice Bamberg, kommt nicht einmal auf die „schwarze Null“ – und alle sehen kaum Licht am Ende des Tunnels. Fünf Jahre werden die Branche mit den Folgen zu kämpfen haben, schätzt Stefan Schader, dessen Firma für Veranstaltungstechnik nicht nur Aufträge verloren hat, sondern auch Mitarbeiter. „Ohne weitere Hilfen geht es nicht“, darüber sind sich alle einig bei diesem Fachgespräch, zu dem der SPD-Landtagsabgeordnete Michael C. Busch in die Alte Schäferei Ahorn eingeladen hat.

Er hat seinen Landesvorsitzenden mitgebracht, der gerade durchs Land tourt, um zu erfahren, wo den Menschen der Schuh drückt. Gerade hat sich Florian von Brunn über den Stand der Klinik-Planungen in Coburg informiert, nun möchte er aus erster Hand erfahren, wie es um die Kulturwirtschaft steht, um deren Unterstützung in Bayern „viel zu lange diskutiert“ wurde, wie er meint.

Über die staatlichen Hilfen hört er wenig Gutes an diesem Mittwochnachmittag: zu knapp, zu kompliziert, zu spät, ist die einhellige Erfahrung. Nur Bruchteile der bereitgestellten Millionen wurden bislang ausgezahlt, das weiß auch Busch aus einer Landtagsanfrage.

„Unglaublich bürokratische Verfahren“ beklagt Heyder, sogar Steuerberater sind nach Schaders Erfahrung überfordert – und viele Anspruchsberechtigte haben den Papierkrieg gar nicht erst aufgenommen, weiß Knoch: „Nur zehn Prozent der Künstler, die wir betreuen, hat Hilfe beantragt“. Auch Marcus Geuss alias Marcellini hat zwischenzeitlich kapituliert und vorübergehend umgesattelt: „Ich habe im Impfzentrum gearbeitet, um etwas gegen die Pandemie zu tun“.

Der Zauberkünstler und Bauchredner bekommt zwar wieder Engagements, aber die Unsicherheit belastet gerade die Varietészene weiter: „Alle haben Angst, keiner will etwas machen“. Die Folgen für Soloselbstständige sind existenziell, weiß Geuss: „Die Kulturszene wird merklich kleiner“. Das muss Hermann J. Vief bestätigen, der sich als Theaterpädagoge und Regisseur auch Sorgen macht über die gesellschaftlichen Folgen der Kultur-Zäsur: „Wir müssen das Publikum wieder motivieren“.

Die Kartenkäufer halten sich noch sehr zurück, massive Nachfrageeinbrüche um 50 bis 70 Prozent beklagen die örtlichen Veranstalter: „Für Urban Priol haben wir 80 Tickets verkauft“, berichtet Knoch eine Woche vor dessen Coburg-Gastspiel – früher war er stets ausverkauft.

Im Sport sieht es ähnlich aus, weiß Wolfgang Heyder, der im „Vollchaos“ eine Ursache sieht: Unterschiedliche Regeln von 2G bis 3G plus sogar in derselben Halle verunsicherten die Öffentlichkeit. Er plädiert deshalb für einheitliche Regeln – und rennt bei Michael C. Busch offene Türen rein. Der Abgeordnete macht keinen Hehl daraus, dass er zur Pandemiebekämpfung auch Unpopuläres befürwortet – notfalls eine Impfpflicht.

Autor

Bilder