Forscher machen unter anderem die Ausbreitung der in Großbritannien entdeckten Variante B.1.1.7 für den Anstieg der Infektionszahlen verantwortlich - und die Zahlen könnten weiter stark steigen. „Unsere Simulationen zeigen, dass selbst mit den Restriktionen vom Januar die dritte Welle höhere Inzidenzen aufweisen wird als die zweite“, schreibt ein Team um den Mobilitätsforscher Kai Nagel von der Technischen Universität Berlin im Modus-Covid-Bericht. Die dämpfende Wirkung der wärmeren Jahreszeit sei schon berücksichtigt. Auch wenn bis Mitte April 15 Prozent der Bürger mindestens eine Impfung haben, sei dies deutlich zu gering, um die um 35 bis 70 Prozent höhere Zahl von Übertragungen durch die neue Variante B.1.1.7 auszugleichen.
Anteil der B.1.1.7-Variante bei 72 Prozent
Auch bei Treffen, die nach den Corona-Regeln erlaubt seien, sollte daher mindestens eine der Maßnahmen wie Selbsttests, Impfungen, Verlagerung nach draußen oder Maskentragen befolgt werden, schreibt das Team. In jedem Mehrpersonenbüro sei eine Maskenpflicht ebenfalls nötig, weil sich die virenhaltigen Aerosole im ganzen Raum verteilten. In Schulen raten die Forscher zu mindestens zwei Maßnahmen von: Maskenpflicht, Schnelltest oder Wechselunterricht.
Die ansteckendere und auch gefährlichere Corona-Variante B.1.1.7 habe einen Anteil von 72 Prozent erreicht, heißt es in einem RKI-Bericht vom Mittwoch. Vergangene Woche waren es noch etwa 55 Prozent.
Gesamtzahl der Infektionen wohl deutlich höher als getestet
Die Physikerin und Modelliererin Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation mahnt ebenfalls schärfere Maßnahmen an, vor allem mehr Test. Sie gibt aber auch einen leicht hoffnungsvollen Ausblick: „Ab April/Mai wird die Immunisierung durch Impfen anfangen, Fahrt aufzunehmen. Sobald rund 30 Prozent der Menschen immun sind, haben wir trotz #B117 (Anmerkung: Variante B.1.1.7) eine ähnliche Lage wie im letzten Sommer“, schrieb sie auf Twitter. Voraussetzung sei jedoch, dass sich keine weiteren hochansteckenden Varianten entwickeln. Aus Vorsicht solle man daher unbedingt die Fallzahlen niedrig halten.
Seit dem Beginn der Pandemie haben sich nach Angaben des RKI 2 659 516 Menschen in Deutschland mit Sars-CoV-2 infiziert. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 74 664.
Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Samstagabend bei 1,22 (Vortag 1,18). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 122 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab; liegt er anhaltend darüber, steigen die Fallzahlen.