Coronavirus in Deutschland Zahl erfasster Neuinfektionen nahe an bisherigem Höchstwert

red/
Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner lag dem RKI zufolge am Donnerstag bundesweit bei 160,1. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Schon am Freitag könnte die Zahl bundesweit erfasster Neuinfektionen die Spitzenwerte der zweiten Corona-Welle übersteigen. Und diesmal scheint ein Plateau oder gar Abflauen des Infektionsgeschehens noch in weiter Ferne zu liegen.

 
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Berlin - Mit 29 426 von den Gesundheitsämtern binnen eines Tages ans Robert Koch-Institut (RKI) gemeldeten Fällen nähert sich die Zahl der Corona-Neuinfektionen dem bisherigen bundesweiten Höchstwert. Der bisherige Rekord war mit 33 777 Neuinfektionen am 18. Dezember erreicht worden, er enthielt allerdings 3500 Nachmeldungen. Mehr als 29 000 Neuinfektionen wurden den RKI-Daten zufolge zudem an mehreren Tagen im Dezember erfasst. Auch am 8. Januar hatte der Wert noch bei 31 849 gelegen, danach war die Zahl der Neuinfektionen einige Wochen lang deutlich gesunken.

Mit einem baldigen Abflauen ist diesmal nicht zu rechnen: „Nach einem vorübergehenden Rückgang der Fallzahlen über die Osterfeiertage setzt sich der starke Anstieg der Fallzahlen fort“, heißt es vom RKI im Lagebericht vom Mittwochabend. Rund um die Osterfeiertage wurde nach Angaben des Instituts weniger getestet und gemeldet.

Auffällig ist die deutliche Zunahme in jüngeren Altersgruppen. „Die hohen bundesweiten Fallzahlen werden durch zumeist diffuse Geschehen mit zahlreichen Häufungen insbesondere in Haushalten, im beruflichen Umfeld sowie in Kitas und Horteinrichtungen verursacht“, heißt es im Lagebericht. „Beim Großteil der Fälle ist der Infektionsort nicht bekannt.“

Massive Ausbreitung der ansteckenderen Variante B.1.1.7

Erschwert wird die Eindämmung durch die massive Ausbreitung der ansteckenderen Variante B.1.1.7, die inzwischen auch in Deutschland das Geschehen dominiert. Die zunehmende Verbreitung und Dominanz dieser Variante vermindere die Wirksamkeit der bislang erprobten Infektionsschutzmaßnahmen erheblich, so das RKI.

Zur Rolle von Schnelltests teilte das RKI am Donnerstag auf Anfrage mit, dass in den vergangenen beiden Kalenderwochen bei sechs bis sieben Prozent der an das RKI übermittelten laborbestätigten Covid-19-Fälle angegeben gewesen sei, dass ein positiver Schnelltests vorausgegangen war. „Dieser Anteil hat sich in den letzten 4 Wochen wenig verändert“, hieß es. Zwischen 8. und 14. März, als in Deutschland wöchentliche Gratis-Schnelltests eingeführt wurden, hatte der Anteil bei 4,4 Prozent gelegen, er stieg bis Ende März leicht auf sechs Prozent.

Positive Schnelltest-Ergebnisse müssen dem Gesundheitsamt mitgeteilt werden. Daraufhin soll ein PCR-Test gemacht werden. Das RKI schränkt aber ein, dass es über die Vollständigkeit dieser Meldungen keine Aussage machen könne. Selbsttests sind nicht meldepflichtig.

Bisheriger Höchststand am 22. Dezember mit 197,6

Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner lag dem RKI zufolge am Donnerstag bundesweit bei 160,1 (Vortag: 153,2). Ähnlich hoch lag die Sieben-Tage-Inzidenz zuletzt im Januar (12.1., 164,5) während der zweiten Welle. Der bisherige Höchststand wurde am 22. Dezember mit 197,6 erreicht. Mit 56,8 am 19. Februar war der Wert auf den tiefsten Stand nach der zweiten Welle gesunken. Seither geht es wieder merklich aufwärts, aktuell in großen Schritten.

Weniger dramatisch entwickelt sich - vor allem wohl wegen der fortschreitenden Impfung von Menschen höheren Alters und aus anderen Gruppen mit höherem Covid-19-Sterberisiko - bisher die Zahl der Toten. Beim RKI wurden zuletzt innerhalb von 24 Stunden 293 neue Todesfälle verzeichnet. Das geht aus Zahlen von Donnerstag hervor, die den Stand des RKI-Dashboards von 14.50 Uhr wiedergeben, nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen des RKI sind möglich.

Vor einer Woche hatte das RKI binnen eines Tages 20 407 Neuinfektionen und 306 neue Todesfälle verzeichnet. Im März waren an einigen Tagen weniger als 50 Todesfälle erfasst worden, während der zweiten Welle hingegen an mehreren Tagen im Dezember und Januar mehr als 1000.

Eine extreme Belastung bedeuten die hohen Infektionszahlen vielerorts für die Intensivstationen, die Zahl der Covid-19-Patienten dort steigt von Tag zu Tag deutlich. Betroffen sind Medizinern zufolge immer mehr jüngere Menschen. Bei den unter 50-Jährigen sterbe jeder fünfte Intensivpatient, bei den Älteren im Schnitt jeder zweite, hatte Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), kürzlich gesagt.

Karl Lauterbach warnte bei Twitter

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnte bei Twitter: „In den nächsten Wochen werden viele 40-60 Jährige an Covid versterben. Darunter sind viele Eltern, die hohen Infektionszahlen in Schulen und Universitäten tragen mit bei.“ Hintergrund ist, dass diese Menschen aktuell oft noch keinen Impfschutz haben; und bei sehr hohen Infektionszahlen kann auch das eigentlich geringe Sterberisiko jüngerer Menschen ins Gewicht fallen.

Das RKI zählte seit Beginn der Pandemie 3 073 442 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 in Deutschland. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit etwa 2 736 100 an. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 79 381.

Der bundesweite Sieben-Tage-R-Wert lag nach dem RKI-Lagebericht von Donnerstagabend bei 1,18 (Vortag: 1,11). Das bedeutet, dass 100 Infizierte rechnerisch 118 weitere Menschen anstecken. „Der 7-Tage-R-Wert liegt über 1. Dies bedeutet weiterhin eine deutliche Zunahme der Fallzahlen“, hieß es im Lagebericht.

Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab; liegt er anhaltend darüber, steigen die Fallzahlen.

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