Das Ukraine-Tagebuch „Bachmut muss die Hölle sein“

Die Soldaten an der Front dürfen zu Hause vieles nicht erzählen. Was trotzdem durchsickert, ist häufig extrem belastend. Der Kulmbacher Thomas Simmler will Details manchmal lieber gar nicht wissen. Er findet im Westen des Landes aktuell Trost in der Musik – und bei Petrus.

 
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Thomas Simmler Foto: privat

Der Krieg greift immer stärker in die ukrainischen Familien ein. Irina, die Mutter unserer gemeinsamen Tochter Sofia, hat mir erzählt, dass jetzt weitere Familienmitglieder eingezogen wurden. Der Ehemann der Cousine hatte lange Zeit Glück. Jetzt ist es anders. Er wird nun ein paar Monate trainiert und dann wohl an die Front müssen. Schlimmer ist es schon für den Freund ihrer Schwester. Er war in Bachmut. Diese Kleinstadt im Osten des Landes ist ja gerade heftig umkämpft. Die ganze Welt schaut dorthin. Er hat sich das Bein gebrochen, liegt jetzt im Krankenhaus und hat nur gesagt: „Bachmut ist die Hölle“. Ich traue mich nicht, näher zu fragen. Manchmal will man es gar nicht wissen. Man kann nur ahnen, wie wahnsinnig groß die psychische und physische Belastung ist.

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Die Soldaten dürfen ohnehin nichts erzählen. Der Rest der Familie wusste zum Beispiel seit längerem nicht, wo er sich aufhält. Das ist auch richtig. Man hat ja bei den russischen Soldaten in der Silvesternacht gesehen, was sonst passiert. Die haben ihre Handys leichtfertig benutzt , wurden geortet und jetzt alle tot sind.

In Truskawez ist die Lage aktuell ruhig. Luftalarm hat es zuletzt in den ersten Minuten des neuen Jahres gegeben. Seither nicht mehr. Immerhin. In den jeweiligen Stadtteilen ist der Strom häufig für Stunden abgestellt. Das wird sich in diesem Winter wohl nicht mehr ändern.

Die warmen Temperaturen helfen den Menschen hier natürlich. Mit Petrus hat Putin offenbar nicht gerechnet. Da hat er sich verspekuliert. Manchmal sieht man sogar Straßenmusiker. Da spielen Kinder auf Geige oder Akkordeon. Oft romantische ukrainische Folklore. Mir gefällt das. Als Jugendlicher in Kulmbach hab’ ich auch Musik in einer Band gemacht. Wir hießen Sunhouse. Ich war der Gitarrist. Wir sind in der ganzen Region aufgetreten. In Ebern durften wir mal Vorband sein für die Spider Murphy Gang. Das war natürlich klasse. Meine akustische Gitarre steht immer bei mir im Zimmer. Ab und an greif ich hin und zupfe das ein oder andere Lied. Die Musik, das spürt man überall, ist für die Ukrainer wichtig. Vor allem die heimischen Lieder geben Kraft und Energie.

Hans-Thomas Simmler aus Mainleus hält sich seit vielen Monaten in der Ukraine auf. Nach Angriffen der Russen in der Nähe des Atomkraftwerks Saporischschja ist er nun im Westen des Landes im Kurort Truskawez untergekommen.