Das Ukraine-Tagebuch Träume und selbgebrannter Wodka

Thomas Simmler erlebt bei einem Tanzfest in den Karpaten, wie die Ukrainer sich vom Krieg ablenken. Und warum viele das Leben als „normal“ empfinden, obwohl ständig Raketen neben ihnen einschlagen.

 
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Thomas Simmler Foto: privat

Die Menschen in der Ukraine träumen von einer neuen Zeit – und versuchen die Gegenwart irgendwie zu überstehen. Da mag es für Außenstehende merkwürdig klingen, was jetzt schon alles als „normal“ gilt. Ich habe es selbst erlebt. Wenn ich heute an die Zeit in Marganez in der Nähe des umkämpften Atomkraftwerkes Saporischschja zurückdenke, ist mir unbegreiflich, dass ich dort so lange geblieben bin. Aber irgendwie gewöhnt sich der Mensch an fast alles.

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Vor einigen Tagen war ich in einem kleinen Dorf in den Karpaten. Eine Busreise für Touristen. Fast alles Ukrainer. Die Schneeberge wurden höher und höher. In den Bergen ist richtig Winter. Es gab ein Tanzfest. Vorher wurde ausführlich gegessen. Eingelegter Kohl und Banosch – das ist eine Maisgrütze mit Speck und andere heimische Spezialitäten. An meinem Tisch saß ein Ehepaar aus Saporischschja. Ich weiß ja, dass dort täglich Raketen einschlagen, Menschen sterben und es viele Verletzte gibt. Auf meine Frage, wie es denn dort aussehe, sagte die Frau „Alles normal“. Die Wirklichkeit ist natürlich alles andere als normal. Aber der Mensch richtet sich ein.

Die Ukrainer gelten nicht umsonst als trinkfest. Es gibt heimisches Bier wie Obolon aus Kiew oder Bier aus Lemberg. Immer mal entdecke ich hier deutsches Bier. Kein Kulmbacher, aber andere Großbrauereien wie Krombacher oder Warsteiner. Ich kann da im Geschmack keinen großen Unterschied feststellen. Das Gleiche gilt für den Wodka, der weit verbreitet ist. Den brennen sie hier vor allem auf den Dörfern selbst. Sie nennen ihn Samargon. Wie viel davon in den früheren Sowjetrepubliken genau konsumiert wird, weiß niemand. In Russland hat die Gesundheitsministerin vor ein paar Jahren behauptet, der Verbrauch sei in fünf Jahren um sagenhafte 80 Prozent gesunken. Nun ja, man sieht eben auch hier, wie wenig man den Russen glauben kann. Es heißt, man solle als Tourist vorsichtig damit sein. Aber das gilt nur, wenn er in den massenhaften Verkauf geht. Da wird dann wohl auch gepanscht.

Hans-Thomas Simmler aus Mainleus hält sich seit vielen Monaten in der Ukraine auf. Nach Angriffen der Russen in der Nähe des Atomkraftwerks Saporischschja ist er nun im Kurort Truskawez im Westen des Landes untergekommen.