Das Ukraine-Tagebuch „Frauen bauen Drohnen mit Sprengköpfen zusammen“

Thomas Simmler Foto: Alexander Wunner

Viele Ukrainer leben ausschließlich vom Gehalt der Soldaten in der Familie. Eine Bekannte von Thomas Simmler macht deshalb, was viele Frauen tun: Sie unterstützt das Militärjetzt als Freiwillige.

 
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Der Krieg in der Ukraine ist auch ein Krieg der Drohnen. Mit ihrer Hilfe späht das Militär feindliche Stellungen aus oder wirft Bomben ab. Für die Soldaten an der Front ist das eine wichtige Hilfe. Sie können sich Informationen beschaffen, was hinter der nächsten Mauer los ist oder was sie hinter dem nächsten Hügel erwartet. Im Internet gibt es viele Videos, auf denen zu sehen ist, wie Soldaten mit eigener Hand handelsübliche Drohnen aus dem Elektromarkt nehmen und mit Sprengköpfen versehen.

Eine Bekannte von mir baut solche Drohnen zusammen. Galina stammt aus dem Donbass. Ihr Zuhause wurde von den Russen zerstört. Sie flüchtete nach Polen, ging aber nach kurzer Zeit in die Ukraine zurück. Jetzt lebt sie in Poltawa. Arbeit hat sie keine. Ihr Sohn ist als Hubschrauber-Ingenieur beim Militär. Er hat mitgeholfen, Zivilisten aus Mariupol auszufliegen. Dabei gab es auch Tote. Von seinem Gehalt lebt Galina. So ist es inzwischen in sehr vielen Familien. Die Männer verdienen in der Armee das Geld für Frau und Kinder, für die Eltern, manchmal für die ganze Verwandtschaft.

Weil sie etwas tun will, ist sie eine von tausenden Freiwilligen, die die Armee unterstützen. Vor allem Frauen machen so etwas. Kostenlos. Sie organisieren Hilfstransporte für die Front – oder bauen eben Drohnen zusammen. „Material haben wir genug, es fehlt nur an Arbeitskräften“, hat sie mir erzählt. Anspruchsvoll sei die Arbeit nicht, aber eben wichtig.

Wie so viele Menschen schaut Galina schon jetzt mit Sorge auf den Winter. Während ich letztes Jahr mit einem blauen Auge davongekommen bin und nur ab und zu mal auf Strom verzichten musste, war die Lage im Osten viel schlimmer. Und niemand weiß, ob Putin wieder die Stromversorger bombardieren lässt.

Deshalb denken vor allem im Osten des Landes viele darüber nach, in Richtung Westen zu flüchten. Wer im letzten Winter ohne Gas und Strom war und über Monate immer wieder gefroren hat, will das nicht noch einmal mitmachen.

Hans-Thomas Simmler aus Mainleus hält sich seit Kriegsanfang in der Ukraine auf. Nach Angriffen der Russen in der Nähe des Atomkraftwerks Saporischschja ist er im Kurort Truskawez im Westen des Landes untergekommen.
V
on dort berichtet er in dieser Kolumne regelmäßig aus dem Alltagder Menschen vor Ort.

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