Der Künstler Robert Reiter wird 90 Wandernder Weltanschauer

Robert Reiter einst und heute. In der einstigen Untersiemauer Rattanfabrik präsentiert der Künstler zu seinem 90. Geburtstag einen Querschnitt durch sein malerisches Werk, darunter auch Selbstporträts des jungen Kunststudenten. Foto: Dieter Ungelenk

An seinem 90. Geburtstag eröffnet Robert Reiter eine reich bestückte Ausstellung in seinem Untersiemauer Atelier. Im Mittelpunkt steht sein Blick auf die vom Menschen geprägte Landschaft.

 
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Von den verschneiten Gleichbergen schweift der Blick in die hitzeflirrende Sierra Nevada, vom arabischen Friedhof von Almeria zum Stöppacher Löschteich, von den verdörrten Feldern der Estremadura zur Tongrube bei Großheirath. Robert Reiter hat sie alle erwandert und „durchschaut“, mit dem forschenden Blick des Malers, den nicht der schöne Schein interessiert, sondern die Spuren rauen Lebens und harter Arbeit. Verlassene Dörfer, verfallene Gehöfte, verwilderte Pfade, abgeerntete Äcker, karge Landschaften: Die vom Menschen genutzte, geformte, auch verwundete Natur ist das unerschöpfliche Thema des in Untersiemau lebenden Malers und Grafikers.

In der verwaisten Rattanfabrik Scherer hat er vor rund zehn Jahren ein geräumiges Atelier gefunden, das seinem kaum überschaubaren Werk Platz bietet und auch bestens zur Werkstattgalerie taugt. Vor vier Jahren lud Reiter die Öffentlichkeit erstmals in sein malerisches Refugium zur Bilderreise durch Europas Kulturlandschaften ein. Nun tut er’s wieder, aus triftigem Grund: Am kommenden Dienstag feiert der renommierte Künstler seinen 90. Geburtstag, den er im Kreise seiner Bilder und seiner Fans und Freunde begehen möchte.

Weit über 100 Werke – vornehmlich Landschafts- und Architekturgemälde sowie einige (Selbst-)Porträts – illustrieren die künstlerische Wanderschaft, die nun schon 70 Jahre währt. „Das ist das begehbare Depot eines alten Mannes“, schmunzelt Reiter ob der Bilderfülle, die dicht gehängt die Sinne überwältigt. Die Besucher möchte Reiter dennoch dazu animieren, sich in einzelne Gemälde zu vertiefen: Eine ganze Sammlung von Rattan-Mustersesseln, die einst hier gefertigt wurden, lädt ein zum Platznehmen und Kunstgenießen. „Die Freude am Bildbetrachten darf kein Privileg von Akademikern sein“, betont der frühere Kunsterzieher, der bei aller graduellen Abstraktion stets einen „Einsteig für alle“ bietet. Auch zum Nachahmen möchte er anregen, zum bewussten, intensiven Wahrnehmen von Landschaft.

Auf ausgedehnten Wanderungen durch Südeuropa, aber auch durch Franken, das ihm in 60 Jahren zur Heimat wurde, sammelte er mit Skizzenblock und Kamera Inspirationen. „Das Zufußgehen war mein Hobby von Kindheit an“, erzählt der nahe Bratislava Geborene, der seine Heimat als Kind im Krieg verlassen musste. Dreimal hat er auf vierwöchigen Touren auf dem nordspanischen Jakobsweg nach Santiago de Compostela Land und Leute kennengelernt. Ohne sie abzubilden, erzählt Reiter vom Leben der Menschen, die er dabei traf, mit seiner kraftvollen und markanten Handschrift, die nichts verklärt, und doch voller Poesie ist. Altes Sackleinen bietet häufig den idealen Malgrund für die „erdigen“ Bilder. An Nachschub mangelt es nicht: Die Lastwagenladung voller verschlissener Kartoffelsäcke aus Baywa-Beständen ist noch lange nicht aufgebraucht.

Ausstellungseröffnung: 11. Oktober, 16 Uhr. Öffnungszeiten bis 31. Oktober: Di–So 16–18 Uhr, Untersiemau, Querstraße 7

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