Der Weg zur Klimaneutralität Erfolgsbeispiele aus der Region

Wolfgang Aull
70 bis 80 Prozent Wärmeeinsparung sind auch bei Altbausanierungen möglich. Foto: Wolfgang Aull

Der Landkreis Haßberge möchte bis zum Jahre 2030 bilanzielle Klimaneutralität erreichen. Wir haben nachgefragt, welche Wege zur Klimaneutralität führen könnten.

 
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Mittels Klimapakt möchte der Landkreis bis zum Jahre 2030 bilanzielle Klimaneutralität erreichen. Strom soll zu 100 Prozent regenerativ erzeugt werden und auch die Wärmeversorgung klimafreundlich sein. Er strebt einen klimafreundlichen und nachhaltigen Lebensstil an und regionale Wertschöpfung. Wir haben uns erkundigt, wie praxisnah dies eingeschätzt wird.

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Dieter Reisenweber ist Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes. Der Landwirt aus Untermerzbach hat sich auf die Milchwirtschaft spezialisiert, 70 Kühe stehen in seinem Stall. Er setzt auf Regionalität: Das Vieh erhält aus eigenem Anbau Grünfutter, zugekauft wird Rapsschrot aus Deutschland und lediglich Soja als Importware. Reisenweber sieht Landwirte als Hauptspieler in der Energiewende: „Die Fläche ist die Grundlage." Sie liefere Biomasse für Vergärungsanlagen, Hackschnitzel für Fernwärmenetze und Ackerboden für Photovoltaik. Er habe verinnerlicht, was ihm Günther Felßner, der Präsident des Bayerischen Bauern-Verbands, mit auf den Weg gegeben habe. „Wir müssen Lösungen anbieten für die Bereiche Nahrung, Energie, Biodiversität und Decarbonisierung.“

In diesem Sinne intensiviere er viel Zeit in den Kontakt zur GUT, also der Gesellschaft zur Umsetzung erneuerbarer Technologieprojekte im Landkreis Haßberge. Deren Geschäftsführer Marco Siller müsse nur sagen, was er plane, dann würden sich die Landwirte schon darauf einstellen. Ein neues Fernwärmenetz könnte beispielsweise die ortsnahe Einrichtung von sogenannten Kurzumtriebsplantagen zur Folge haben, also den Anbau von Pappeln, Weiden und Erlen. Reisenweber setzt auf seine Heimat: „Regionale Versorgung, regionale Energie und regionaler Naturschutz." Er mahnt zum Maßhalten, „denn wir importierten schon heute mehr Nahrungsmittel, als wir exportieren." Seiner groben Schätzung zufolge liegt der Flächenverbrauch zur Energieerzeugung derzeit bei rund zehn Prozent und wird sich in unserer Region auf 20 Prozent verdoppeln, hieran sei nicht zu rütteln. Überlegungen, die Erträge auf den bewirtschafteten Feldern zu steigern, seien utopisch.

Die Landwirte seien in mehrere Hinsicht gefordert: Der Klimawandel setze Akzente, der Fuhrpark müsse auf Strom, Wasserstoff und sicherlich auch Efuel umgestellt werden, auch der Humusverlust schreite voran. Gutes, voraussehendes Handeln sei geboten, doch alles sei machbar, solange man miteinander redet: „Die gesetzten Ziele zur Klimaneutralität können gelingen."

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Dieter Gerstenkorn ist Geschäftsführer der Firma Maler Klee GmbH mit Sitz in Ebern. Er beschäftigt drei Meister, sechzehn Gesellen, zwei Azubis und zwei Büroangestellte. Bereits vor 16 Jahren, im Jahre 2007, bildete er sich zum Energieberater der Handwerkskammer aus, seitdem treibt er die Wärmedämmung, insbesondere von Bestandsgebäuden, mit großem Elan voran. Er bringt einen entscheidenden Aspekt auf den Punkt: „Die umweltschonendste und die billigste Energie ist die, die wir nicht brauchen." Gerstenkorn erklärt hierzu: „Bei den Gebäuden ist mir wichtig, dass sie gut gedämmt sind.“ Im Gespräch mit der Redaktion weist er auf Altbausanierungen im ehemaligen Bundeswehrgelände hin, die er erfolgreich durchgeführt habe. Die Isolierung könne durchaus 20 Zentimeter dick sein, ein Punkt sei aber, dass am Ende die Optik passen muss, was dank moderner Stucktechnik auch durchaus möglich sei. Bei einem alten Gebäude seien „70 bis 80 Prozent Wärmeeinsparung drin, wenn alles aufeinander abgestimmt ist: „Dach, Fenster, Außenwände, Kellerdecke." Das Stadtratsmitglied spricht sich für einen weiteren Ausbau von Windkraftanlagen und Solarfeldern im Landkreis aus, bevor er grundsätzlich wird: „ Als zukünftige Energie halte ich die Produktion von Wasserstoff aus Windkraft und Solarstrom für wichtig, da dies ein Medium ist, um die erzeugte Energien zu speichern. Batterien sehe ich als nicht so gute Wahl an, da hierfür in Chile Lithium unter katastrophalen Umweltbedingungen abgebaut wird und die spätere Entsorgung von Batterien noch ungewiss ist. Wasserstoff kann zum Autofahren und Heizen von Häusern verwendet werden."

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Klaus Hammelbacher ist Geschäftsführer der Firma Maintal Konfitüren GmbH mit Sitz in Haßfurt. Der Betrieb sei, berichtet er nicht ohne Stolz, „seit zwei Jahren offiziell klimaneutral." In die Geschäftsführung des Unternehmens eingestiegen ist der studierte Biologe im Jahre 1999 gemeinsam mit Anne Feulner, der Tochter des damaligen Firmenchefs Helmut Müller. Sie waren sich einig, dass „ökonomische, ökologische und soziale Aspekte stets miteinander in Einklang stehen müssen." Den ersten richtungsweisenden Impuls setzten die Beiden bereits im Jahr 2000 mit der Einführung eines umfangreiches Bio-Sortimentes.

Die Klimaneutralität kam Schritt für Schritt: „Zunächst, im Jahre 2010, haben wir die Dachflächen der Betriebsgebäude mit Photovoltaikanlagen versehen. Ab dem darauffolgenden Jahr bezogen wir über das Stadtwerk zertifizierten grünen Strom." 2015 investierte man in eine Modernisierung des Dampfkessels, seine Befeuerung wurde von Öl auf Gas umgestellt. In Kooperation ebenfalls mit den Stadtwerken Haßfurt wurde eine Mikrogasturbine aufgestellt. Diese produziert Strom und mit der heißen Abluft wird der Dampfkessel vorgeheizt. „Weitere Abwärme wird genutzt, um Reinigungswasser anzuwärmen. Sie könnte auch mit Biogas oder Wasserstoff betrieben werden." Er berichtet weiter: „2023 ging ein neues Tiefkühllager in Haßfurt in Betrieb. Es zeichnet sich durch einen geringen Energieverbrauch und einer hohen Wärmerückgewinnungsrate aus.“ Bisher waren zur Tiefkühlung fast sämtlicher Früchte externe Kühlhäuser angemietet, aus denen wöchentlich die Ware für die Produktion nach Haßfurt transportiert wurde. „Durch dieses Kühlhaus entfallen viele Transportkilometer." Hammelbacher bilanziert: „Unser Gesamtstromverbrauch liegt bei etwa einer Million Kilowattstunden. Ein Drittel hiervon wird über Photovoltaik selbst erzeugt, ein weiteres Drittel entsteht über die hauseigene Mikrogasturbine. Das verbleibende Drittel ist Biostrom aus den Stadtwerken." Es verbleibt Gasbedarf zur Erzeugung von Dampf für den Heizkessel. „Angesichts dessen, dass wir somit unseren CO2-Ausstoß nicht völlig herunterfahren können, beteiligen wir uns im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung seit dem Jahre 2020 an sogenannten Kompensationsmaßnahmen: die Organisation climatepartner erhält Geld und realisiert damit Projekte, die sich nachweislich eigneten, CO2 Bildung zu neutralisieren.“

Als Beispiel sei ein Aufforstungsprojekt in Nicaragua zu nennen. So erreichten sie eine klimaneutrale Produktion am Standort Haßfurt und Klimaneutralität für das Hauptprodukt Maintal Hiffenmark einschließlich der gesamten Wertschöpfungskette. Im Vordergrund stünde das Vermeiden von Emissionen und an zweiter Stelle die Kompensation. „Hiermit möchten wir unserer Verantwortung als produzierendes Unternehmen nachkommen."

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