Info: Mismatch-Theorie
Menschheit in der Sackgasse
Die Menschheit läuft Gefahr, sich selbst in ihrer Entwicklung in Sackgassen zu manövrieren, aus der es kaum noch ein Entrinnen gibt. Insgesamt 14 solcher Evolutionärer Fallen haben schwedische Forscher in einer neuen Studie ausgemacht. Darunter sind Klima-Kipppunkte und Umweltverschmutzung genauso wie eine falsch ausgerichtete künstliche Intelligenz und die Beschleunigung von Infektionskrankheiten. Wenn sich Merkmale, die für die Evolution einer Gattung einst vorteilhaft waren, sich aufgrund von Umweltveränderungen plötzlich nachteilig auswirken, spricht man von einer Evolutionären Falle oder Evolutionären Diskrepanz. Dieses evolutionsbiologische Konzept wird auch als Mismatch-Theorie bezeichnet.
Anthropozän
Das Forscherteam um den Umweltökologen Peter Søgaard Jørgensen sieht solche evolutionäre Fallen auch für die Menschheit gegeben. Insgesamt sei ihre soziokulturelle und zivilisatorische Evolution eine „außergewöhnliche Erfolgsgeschichte“, deren Ergebnis das Anthropozän darstelle – also das Erdzeitalter des Menschen –, wie es in der Untersuchung heißt. Doch das Anthropozän zeige Risse: Globale Krisen wie Covid-19-Pandemie, Klimawandel, Ernährungsunsicherheit, Finanzkrisen und Konflikte hätten begonnen, gleichzeitig aufzutreten. Dieses Phänomen wird auch als Polykrise bezeichnet.Die Studie ist im Fachmagazin „Philosophical Transactions of the Royal Society B“ erschienen.
Diskrepanz
Der Begriff Evolutionäre Falle oder Evolutionäre Diskrepanz wird in der Evolutionsbiologie auch als Mismatch-Theorie bezeichnet. Damit ist Folgendes gemeint: Merkmale, die sich in der Evolution herausgebildet und für die Entwicklung einer Spezies als vorteilhaft erwiesen haben, können sich aufgrund von veränderten und zu schnell sich wandelnden Umweltbedingungen als negativ herausstellen und den Entwicklungsprozess der Gattung behindern - und im Extremfall beenden. Dies kann beim Mensch und bei Tieren stattfinden und wird oft auf schnelle Umweltveränderungen zurückgeführt. Die Mismatch-Theorie beschäftigt sich folglich mit der Idee, dass Merkmale, die sich in einem Organismus in einer bestimmten Umwelt entwickelt haben, in einer anderen Umgebung nachteilig sein können.
Acht Todsünden
Einer der Hauptvertreter dieser Theorie ist der österreichische Zoologe und Medizin-Nobelpreisträger von 1973, Konrad Lorenz (1903-1989). In seinem Buch „Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit“ aus dem Jahr 1973 untersucht der Verhaltensbiologe jene Vorgänge, die nach seiner Ansicht zur „Dehumanisierung der Menschheit“ beitragen. Diese acht Prozesse sind: (1) Überbevölkerung, (2) Verwüstung des natürlichen Lebensraums, (3) übermäßige Beschleunigung aller gesellschaftlichen Prozesse, (4) Drang zu sofortiger Befriedigung aller Bedürfnisse (Hedonismus), (5) genetischer Verfall wegen des Wegfalls der natürlichen Auslese, (6) Verlust bewährter Traditionen, (7) zunehmende Indoktrinierbarkeit, (8) Kernwaffen.