Nach dem Bericht der "Ukrajinska Prawda" sind die Vorschläge für den großen Umbau im Kabinett mitten im Krieg bei einer Sitzung der Präsidentenpartei unter Vorsitz von Rada-Fraktionschef David Arachamija vereinbart worden. Laut Arachamija war bei der Zusammenkunft der Partei auch Präsident Selenskyj anwesend. Der Staatschef hatte den Regierungsumbau damit begründet, dass das Land einen Neustart brauche. "Wir brauchen heute neue Energie", sagte der Staatschef.
In seiner in Kiew veröffentlichen abendlichen Videobotschaft verlor Selenskyj kein Wort über die bisher beispiellose Neuaufstellung. Kritiker halten den Umbau für Augenwischerei und Aktionismus, um Veränderungen vorzutäuschen und um von den Misserfolgen im Abwehrkampf gegen die russische Invasion abzulenken. Auch die Probleme bei der Energieversorgung durch die ständigen russischen Angriffe auf die Infrastruktur lassen die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der eigenen Führung wachsen.
Präsident pocht auf Ziele der Kursk-Offensive
Selenskyj teilte mit, dass ihn der Oberkommandierende der Streitkräfte, Olexander Syrskyj, erneut über die Lage an der Front informiert habe. In seiner Videobotschaft betonte der Präsident, dass vor allem die am 6. August begonnene ukrainische Invasion im russischen Gebiet Kursk erfolgreich verlaufe. "Es ist sehr wichtig, dass absolut alle für die Kursk-Operation ausgelegten Ziele auch umgesetzt werden", sagte Selenskyj. Er hob dabei einmal mehr hervor, dass vor allem der Bestand an russischen Kriegsgefangenen weiter für die nächsten Gefangenenaustausche aufgefüllt worden sei.
Demnach informierte Syrskyj auch über die Lage im umkämpften ostukrainischen Gebiet Donezk. Selenskyj nannte keine Details. Allerdings berichten Militärbeobachter, sowohl unabhängige als auch jene der jeweiligen Kriegsparteien, dass die russischen Truppen in der Region weiter vorrücken. Demnach ging ein Kalkül der Militärführung in Kiew bisher nicht auf, dass Moskau zur Verteidigung seines eigenen Gebiets Kursk aus der Ukraine massenhaft Truppen abzieht und so den Druck von den ukrainischen Streitkräften nimmt.
Dagegen hatte der russische Präsident Wladimir Putin erklärt, dass Russland die "Banditen" im Gebiet Kursk vernichten, die Ordnung wiederherstellen und seine Kriegsziele in der Ukraine trotzdem erreichen werde. Das russische Verteidigungsministerium meldet inzwischen täglich Gebietsgewinne und auch die Einnahme von Ortschaften im Raum Donezk.
Besonders in Pokrowsk – die Stadt ist ein strategischer wichtiger Bahnknotenpunkt – ist die ukrainische Armee unter Druck. In der Großstadt haben die Behörden eine Evakuierung angeordnet. Noch immer sollen sich dort aber mehr als 20.000 Menschen aufhalten.
Was am Donnerstag wichtig wird
Mehr als zweieinhalb Jahre nach Beginn seines Angriffskrieges gegen die Ukraine dürfte sich auch Kremlchef Putin einmal mehr zu der Invasion äußern. Der Präsident, der den Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 befohlen hatte, tritt beim Wirtschaftsforum in Wladiwostok am Pazifik mit einer Rede auf einer Plenarveranstaltung auf. Putin hatte die Kursk-Offensive als bedeutungslos für den Kriegsverlauf bezeichnet. Auch die Regierungsumbildung in Kiew bleibe folgenlos für den Kampf, hieß es in Moskau.