Mit Kindern ist einem irgendwann gar nichts mehr peinlich – kein fäkalienlastiges Gespräch, keine von Fettfingern oder Milchspuckespritzern bekleckste Bluse im Büro – das kann auch eine Befreiung sein. (Außerdem hilft vielleicht die Gewissheit, dass es spätestens ab der Pubertät umgekehrt sein wird, dass man dann nämlich als Eltern den Kinder oft wahnsinnig peinlich sein wird.)
Ein ehrlicher Blick ins alte Gesicht
Und warum sollte man auch nicht ganz schamlos im Café über Brüste und passende Büstenhalter sprechen? Worauf die Frauenbewegung seit 60 Jahren – offenbar noch nicht erfolgreich – hinarbeitet, das schafft das Kleinkind mit einer unbedarften Geste.
Überhaupt können Kinder mit einem Satz die großen und kleinen elterlichen Defizite offenlegen. Nach dem Satz über die alternden Hände muss sich die Mutter halt selbst fragen, wann sie sich endlich mal ehrlich – und vielleicht sogar versöhnlich – ins alternde Gesicht blicken will.
Kinder funktionieren wie ein überscharfer Spiegel für Erwachsene. Eine Freundin ging mit ihrer Tochter im Kindergartenalter die Straße entlang. Plötzlich sagte das Kind: „Guck mal, Mama, da ist eine Putzfrau!“, und blickte zu einer Frau auf der anderen Straßenseite, die ein Kopftuch trug. Für die Mutter war spätestens jetzt der Zeitpunkt gekommen, darüber nachzudenken, wie Stereotype eigentlich entstehen und welche sie an ihre Kinder unbewusst schon weitergegeben hat.
Das Schönste und Tröstlichste an dieser Ehrlichkeit ist allerdings, dass man sich bei Kindern immer ganz sicher sein kann: ihrer Komplimente, ihrer Abneigung, ihrer Liebe. Wenn die Tochter meint: „Du siehst schön aus“, dann sagt sie das ja nicht nur so. Dann ist das so.