Diskussionskultur in Coburg OB beklagt Verrohung

„Warum haben wir scheinbar die Fähigkeit verloren, unterschiedliche Standpunkte sachlich und ohne übersteigerte Emotionalität in einem gepflegten Meinungsaustausch zu diskutieren“, fragt Oberbürgermeister Dominik Sauerteig. Foto: Rainer Brabec

Vor dem Hintergrund einer zunehmend aufgeheizten Diskussionskultur in Coburg – vornehmlich beim Thema Mobilität in der Innenstadt – meldet sich Oberbürgermeister Dominik Sauerteig zu Wort.

 
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In einer Stellungnahme an die Neue Presse schreibt er:

„Es ist ja fast schon gefühlt zum traurigen Normalzustand geworden, dass politische Mandatsträger sich Beleidigungen, Beschimpfungen und bewussten oder unbewussten Falschmeldungen in medialer Berichterstattung, Social Media, E-Mails und Leserbriefen ausgesetzt sehen. Die Spirale der Anfeindung geht mitunter soweit, dass in Washington D.C. das Kapitol gestürmt wird und bei uns in Coburg die Dienstautos der drei Bürgermeister angezündet werden.

Aber woran liegt das? Warum verhält man sich anderen gegenüber nicht so, wie man das vom Gegenüber selbst erwartet? Woher kommt die in Teilen wahrnehmbare Verrohung der Verhaltensweisen? Warum sind wir in Teilen der Gesellschaft nicht mehr in der Lage, zunächst das persönliche Gespräch zu suchen, sondern setzen selbst bei kleinsten Dingen vermehrt auf die vermeintliche Unterstützung einer Empörungsmaschinerie der Öffentlichkeit? Warum haben wir scheinbar die Fähigkeit verloren, unterschiedliche Standpunkte sachlich und ohne übersteigerte Emotionalität in einem gepflegten Meinungsaustausch zu diskutieren? Und wieso führt die Kritik an einfachsten, aufgrund von Sicherheitsaspekten getroffenen Verwaltungsmaßnahmen wie das Setzen eines Pfostens, was natürlich auch ohne politische Beschlussfassungen in Gremien möglich ist, zu seltsamsten Ausführungen über eine vermeintliche Verschiebung von Prioritäten, wenn doch an anderen Stellen der Innenstadt gerade nach derartigen Maßnahmen durch die Stadtverwaltung von Anwohnern gerufen wird? Liegt das vielleicht an der überzogenen Ich-Bezogenheit und der zunehmenden Ellenbogenmentalität in unserer pluralistischen Gesellschaft? Stellen wir in unserer Wohlstandsgesellschaft vielleicht die eigenen Interessen regelmäßig über das große Ganze? Ist das „Ich“ vielen doch wichtiger als das „Wir“? Könnte sein, oder? Nein!

Die Zeitanteile eines Oberbürgermeisters zur Beschäftigung mit Grünflächen, Radwegen und Spielplätzen sind leider sehr begrenzt. Auch wenn das für die Lebensqualität vieler Bürgerinnen und Bürger berechtigte Anliegen sind. Und ja: Die Stadt Coburg ist auch unter meiner Führung eine wirtschaftsfreundliche Stadt. Die Fakten wie beispielsweise ein niedriger Gewerbesteuerhebesatz, der zur Planungssicherheit für unsere starken Unternehmen auch niedrig gehalten werden soll, massive Investitionen in Infrastruktur, Millionenaufträge der kommunalen Hand an lokale Unternehmen, eine einzigartige Schuldichte und -qualität sowie eine Sportvereinslandschaft, die massiv von der Stadt unterstützt wird sowie vieles mehr sprechen hier eine deutliche Sprache. Harte und weiche Standortfaktoren für einen starken Wirtschaftsstandort haben in Coburg höchste Priorität. Berichtet und diskutiert oder sich aufgeregt wird aber häufig eher über Banalitäten und Kleinigkeiten. Daher zurück zum Ausgangspunkt der Aufregung.

Der Pfosten im Mittleren Kirchgäßlein wurde aus Sicherheitsaspekten durch die für Sicherheit und Ordnung zuständige Stelle der Verwaltung angeordnet. Zugegeben zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Und, ob das eine der „Aufenthaltsqualität und Frequenz in der Innenstadt“ wirklich dienende Kleinstmaßnahme ist, da bin ich mir auch noch nicht sicher. Schauen wir es uns doch im Echtbetrieb und im Schülerbringverkehr nach den Osterferien gemeinsam an. Und diskutieren persönlich von Angesicht zu Angesicht entweder bei den vielfältigen Bürgerbeteiligungsformaten der Stadt oder eben bei einem Vor-Ort-Termin über vielleicht noch bessere Lösungen zur Vereinbarkeit von berechtigten Sicherheitsinteressen mit den Interessen von Anwohnern, angrenzenden Unternehmen und Teilnehmern aller Mobilitätsformen am Verkehr. Das ist doch deutlich zielführender als das Schreiben von unsachlichen Leserbriefen.

Herzliche Einladung ergeht hiermit zum Ortstermin am Montag, 17. April, von 7.30 bis 8 Uhr an der Morizkirche“.

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