Doping-Prozess in Haßfurt Im Zweifel für den Angeklagten

Martin Schweiger
Das Schöffengericht am Amtsgericht Haßfurt konnte den Vorwurf des Anabolika-Handels durch die Staatsanwaltschaft München trotz erdrückender Indizien nicht nachweisen Foto: dpa/David Ebener

Ein 57-Jähriger wird am Amtsgericht Haßfurt für den Besitz von Dopingmitteln verurteilt. Den Handel mit Anabolika kann das Gericht aber nicht nachweisen.

 
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Haßfurt - Hat ein 57-Jähriger aus dem nördlichen Landkreis mit verbotenen Anabolika gehandelt? Das Schöffengericht am Amtsgericht konnte diesen Vorwurf der Staatsanwaltschaft München am Mittwoch dem Angeklagten trotz erdrückender Indizien nicht nachweisen und sprach ihn daher in diesem Anklagepunkt frei. Verurteilt wurde der Angeklagte „nur“ wegen des vorsätzlichen unerlaubten Besitzes von Dopingmitteln zu einer sechsmonatige Bewährungsstrafe. Als Auflage muss er 2000 Euro an die Drogentherapieeinrichtung Schloss Eichelsdorf bezahlen.

Zum Verhängnis wurde dem Angeklagten eine routinemäßige Paketkontrolle des Zollamts in Nürnberg am 28. Mai 2019. Dabei öffneten die Beamten ein Paket aus Bulgarien und fanden darin eine erhebliche Menge verschiedener Dopingmittel – insgesamt 70 Fläschchen, entsprechend dem 153-Fachen der „nicht geringen Menge“. Adressiert war das Paket an die Adresse des Angeklagten. Auch dessen Handynummer war auf dem Paket aufgedruckt.

Bei einer Durchsuchung im Haus des Angeklagten fanden die Zollfahnder im Dezember 2019 Dopingmittel, die zum Teil offen in der Küche standen. Eine Urinprobe des Angeklagten erwies sich als positiv auf Anabolika. Die sichergestellten Dopingmittel trugen das Label „Golden Dragon“, das sich auch im Paket befand, das die Beamten in Nürnberg konfisziert hatten. Außerdem fanden die Ermittler im Auto des Angeklagten einen Notizzettel mit abgekürzten Bezeichnungen von Anabolika, den die Fahnder als Einkaufsliste interpretierten.

Trotz der erdrückenden Indizien bestritt der Angeklagte, das Paket in Bulgarien bestellt zu haben. Er wisse nicht, wer dies veranlasst habe, gab er zu Protokoll. Er habe zwar als junger Mann einmal Dopingmittel probiert. „Das ist nicht meine Welt“, meinte er. Im Jahr 2018 habe er ein Paket erhalten, in dem sich die Dopingmittel befanden, die die Ermittler bei der Hausdurchsuchung fanden. Er wisse nicht, wer das Paket damals bestellt habe. Dummerweise habe er es behalten. Er habe die anabolen Steroide ausprobiert, um seine Potenz damit zu stärken. Im Internet etwas bestellt oder mit Dopingmitteln gehandelt habe er nie.

Für Staatsanwältin Ulrike Hahn-Oleownik aus München, die bayernweit in Sachen Doping unterwegs ist, reichten die Indizien für eine Verurteilung aus. Dass jemand Anabolika auf den Namen und die Adresse des Angeklagten bestellt und dabei auch noch dessen Handynummer angibt, hielt sie für ebenso unglaubwürdig wie die Aussage des Angeklagten, dass ihm ein Paket mit Anabolika ungefragt zugeschickt wurde. Sie sah neben dem unerlaubten Besitz auch ein gewerbsmäßiges Handeltreiben mit Dopingmitteln und forderte eine eineinhalbjährige Bewährungsstrafe für den nicht vorbestraften Angeklagten.

Verteidiger Peter Möckesch aus Würzburg sah viele Fragezeichen hinter den Vorwürfen. Bei der Auswertung des Handys seines Mandanten habe man weder die sonst üblichen Chats oder E-Mails noch Schuldnerlisten gefunden. Der Angeklagte habe offen Dopingmittel in seiner Wohnung herumliegen lassen, wohl weil er nicht mit einer Hausdurchsuchung rechnete. Er forderte daher einen Freispruch für den Vorwurf der Paketbestellung in Bulgarien und des Handeltreibens. Für den eingeräumten unerlaubten Besitz hielt er eine Geldstrafe für ausreichend.

Richter Christoph Gillot sagte in der Urteilsbegründung, dass ein Besteller das Paket abfangen könne, wenn es auf dem Postweg unterwegs sei. Da man diese geringe Wahrscheinlichkeit nicht ausschließen könne, habe man – im Zweifel für den Angeklagten – diesen in diesem Anklagepunkt freisprechen müssen.

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