Prozess Unaufmerksamkeit zerstört mehrere Leben

Helmut Will
Ein Mann war im Dezember 2019 auf die Gegenfahrbahn geraten und dort frontal mit einem anderen Fahrzeug zusammengestoßen. Bei dem Unfall starb ein Mann. Vor Gericht ging es nun um die Höhe der Strafe. Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Ein 66-Jähriger hatte im Dezember 2019 einen Unfall verursacht. Ein Mensch starb, ein weiterer wurde schwer verletzt. Seine Schuld leugnet er nicht. Vor Gericht bittet er nur darum, seinen Führerschein behalten zu dürfen.

 
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Ebelsbach/Breitbrunn/Haßfurt - Ein Verkehrsunfall mit tragischen Folgen, bei dem ein 69-jähriger Mann aus dem Bereich der Verwaltungsgemeinschaft Ebelsbach ums Leben kam und bei dem seine im Auto mitfahrende Ehefrau schwer verletzt wurde, ereignete sich im Dezember 2019 auf der Strecke Ebelsbach – Breitbrunn. Grund für den Unfall war, so die Erkenntnisse, wohl eine Unaufmerksamkeit eines 66-jährigen Fliesenlegers aus einem Nachbarlandkreis, der nun deswegen vor Gericht saß.

Der Beschuldigte geriet, so der Staatsanwalt in seiner Anklageschrift, auf gerader Fahrbahn mit der halben Fahrzeugbreite seines Autos auf die linke Fahrbahnseite. Dort stieß er frontal mit dem Fahrzeug eines entgegenkommen 69-jährigen zusammen. Dieser verstarb noch an der Unfallstelle, seine mitfahrende Ehefrau wurde schwer verletzt in ein Krankenhaus eingeliefert.

Der Tatvorwurf, der den Unfallfahrer vor Gericht brachte: Fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung. Gegen einen Strafbefehl legte der Unfallverursacher Einspruch ein, weshalb am Donnerstagvormittag das Amtsgericht Haßfurt zu entscheiden hatte.

Der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Thomas Drehsen, verlas eine mit seinem Mandanten erstellte Einlassung. „Mein Mandant wird dann auch alle Fragen beantworten, so er dazu in der Lage ist“, so der Verteidiger. In der Erklärung wurde ausgeführt, dass der Angeklagte den tragischen Unfall ausdrücklich bedauere. Auch habe er Kontakt mit der Ehefrau beziehungsweise der Familie des Getöteten aufnehmen wollen, um sich zu entschuldigen, was allerdings von deren Seite nicht gewünscht wurde. Eine Erinnerung, wie es zu dem Unfall kam, habe der Angeklagte nicht. Er müsse jedoch immer daran denken, habe sich neurologisch untersuchen lassen und sei in therapeutischer Behandlung. Auch übernehme er die volle Verantwortung für den Unfall mit den schlimmen Folgen.

Der Angeklagte legte auf Vorhalt der Richterin seine wirtschaftlichen Verhältnisse offen. Er selbst könne aufgrund des Unfalls und der daraus resultierenden Folgen nicht mehr als Fliesenleger arbeiten, sondern nur noch einen Fliesenhandel betreiben. Ziel des Einspruchs gegen den Strafbefehl war, dass gegen ihn, der sich als defensiver Fahrer bezeichnete, kein Fahrverbot erlassen werden sollte.

Die Richterin verlas ein Schreiben einer Diplompsychologin, bei der der Angeklagte in Behandlung war. Demnach leide er seit dem Unfall an Durchschlafstörungen und sei enorm belastet, habe bei Verlust seiner Fahrerlaubnis Existenzängste. Auch könne er sich an den Unfall nicht erinnern.

Zudem wurden auf Antrag des Nebenklägervertreters weitere Gutachten vorgelesen und Bilder in Augenschein genommen. Zu einem heftigen Disput kam es zwischen dem Verteidiger und dem Anwalt der Nebenklage, Rechtsanwalt Willy Marquardt, hinsichtlich dessen, warum sich der Angeklagte nicht bei den Hinterbliebenen entschuldigte. Rechtsanwalt Marquardt meinte, dass er dies hätte über ihn tun können, Verteidiger Drehsen legte dar, dass das von der Familie des tödlich Verunglückten nicht gewollt gewesen sei. An diesem Punkt stand der Angeklagte selbst auf und entschuldigte sich bei der Familie des Getöteten mit bewegenden Worten.

Der Angeklagte war bisher im Bundeszentralregister noch nicht auffällig, stellte die Richterin fest. Es müsse im Urteil mit einfließen, wie groß das pflichtwidrige Verhalten des Angeklagten gewesen sei, erläuterte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Er wies auf die enormen psychischen Probleme der verletzten Beifahrerin hin und nahm die für ihn ehrlich gemeinte Entschuldigung des Angeklagten zur Kenntnis. Auch erscheine der Angeklagte in seinem Aufklärungswillen glaubhaft. Beantragt wurde vom Staatsanwalt eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 60 Euro, also in einer Gesamthöhe von 5400 Euro, sowie ein Fahrverbot von sechs Monaten.

Nebenklägeranwalt Willy Marquardt sprach von einem furchtbaren Unfall, der sich auf gerader Fahrbahn ereignet habe. Mit etwa 80 bis 90 km/h seien die Fahrzeuge zusammen gestoßen, mit den bekannten Folgen. Er bezweifelte, dass sich der Angeklagte an den Unfall nicht erinnern könne und er sei grob fahrlässig auf die linke Fahrbahnseite gekommen. Für dieses Verhalten sei eine Bestrafung von weniger als 90 Tagessätzen nicht angebracht und es sei das Minimum. Er schloss sich insgesamt dem Antrag des Staatsanwaltes an.

Der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Thomas Drehsen, wies darauf hin, dass so ein Unfall jedem passieren könne. Sein Mandant habe sich auch in der Folge entschuldigen wollen, was aber seitens der Hinterbliebenen abgelehnt wurde. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Verschuldens seines Mandanten treffe zu. Nun müsse das Gericht eine angemessene Strafe finden.

„Wir haben es hier nicht mit einem Straftäter zu tun, der mutwillig etwas getan hat, sondern mit einen Mann, der leider einen schwerwiegenden Unfall verursacht hat, an dessen Zustandekommen er sich nicht erinnern kann“, sagte der Verteidiger. Auch sei nicht beabsichtigt, an den 90 Tagessätzen zu rütteln. Man wolle nur das Fahrverbot, was eine Nebenstrafe sei, in Frage stellen. Um seinen Fliesenhandel weiter betreiben zu können, würde sein Mandant seine Fahrerlaubnis benötigen. Auch sei er durch den Verkehrsunfall berufsunfähig geworden, weil er selbst keine Fliesen mehr verlegen könne. „Ich bitte das Gericht um eine günstige Abwägung für meinen Mandanten“, sagte der Verteidiger und beantragte 90 Tagessätze zu je 35 Euro.

„Was ich nur noch einmal machen kann ist, mich bei der Familie zu entschuldigen. Alles andere werde ich ohne Wenn und Aber annehmen“, sagte der Angeklagte in seinem Schlusswort.

Das Urteil der Richterin lautete auf 90 Tagessätze zu je 50 Euro, also insgesamt auf 4500 Euro Geldstrafe und vier Monaten Fahrverbot. Wie sie in ihrer mündlichen Begründung darlegte, könne sie kein grobes Fehlverhalten des Angeklagten sehen, trotz aller Tragik mit den schlimmen Folgen. Auch sah sie die Entschuldigung als aufrichtig an. Von einem Fahrverbot könne jedoch nicht abgesehen werden. An die Familie des Getöteten gewandt sagte die Vorsitzende: „Auch eine höhere Strafe wird ihren Schmerz nicht lindern können.“ Wie der Verteidiger des Angeklagten sagte, würde sein Mandant den Urteilsspruch annehmen. Er habe ihm jedoch geraten, noch einmal drüber zu schlafen.

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