Eberner Traditionsgasthaus Ein Stern ist erloschen

Christiane Tangermann
Das Traditionswirtshaus „Stern“ sucht einen neuen Pächter. Der Ausleger an der Fassade ist kunstvoll geschmiedet. Foto: Christiane Tangermann

Das Gasthaus Stern in Ebern liegt seit Herbst des vergangenen Jahres im Dornröschenschlaf. Corona und Personalmangel haben den Eigentümern ein Weitermachen unmöglich gemacht. Dabei blickt die Familie auf eine stolze Gastronomen-Geschichte zurück.

 
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Der „Stern“ in Ebern hat seine Pforten geschlossen. Die Situation war über die letzten Jahre immer schwieriger geworden, sagte Peter Aumüller, der den „Stern“ von 1966 bis 2008 geführt hat. Große Veranstaltungen konnten hier schon länger nicht mehr abgehalten werden. Von Tag zu Tag musste man neu disponieren. Das zerrte an den Nerven. Emotional fiel die Entscheidung zu schließen schwer, aber rational war sie richtig, lautet Peter Aumüllers Fazit.

Im Jahre 1966 hatte seine Mutter, Agnes Aumüller, ihrem Sohn Peter, der Brauer und Mälzer bei Willi Andres in Pettstadt gelernt hatte, das Gasthaus zum 21. Geburtstag übergeben. Er übernahm zunächst auch die Pizzabäckerei von seinem Vorgänger und das Geschäft lief gut an. Peter Aumüller erinnert sich: „Es gab Tage, da brachten wir 20 bis 30 Pizzen rauf in die Kaserne oder zu Kugelfischer.“

1966 heiratete Peter Aumüller die 18-jährige Theresia Liberth aus Erlangen. Sie hatte ihre Ausbildung zur Fleischereifachverkäuferin beendet. So brachte sie einige brauchbare Erfahrung mit. Sie verhandelte mit einem Metzger, der das Fleisch nach ihren Angaben aus der Schulter herausschnitt und begann, das fränkische Schäufele zuzubereiten. Zuerst musste sie den Gästen erklären, was das Schäufele ist, aber dann wurde das Gericht, das hier mit Wirsing und nicht mit Sauerkraut gegessen wird, ein großer Erfolg.

Auf die Frage, warum die Eberner ihr Schäufele so lieben, sodass die Nachfrage besonders an Tagen wie dem Altstadtfest nie ganz gedeckt werden konnte, zitiert Theresia Aumüller ihre Mutter: „Tu fei nei, net sparen“. Das Geheimnis waren also die guten und großzügig bemessenen Zutaten, die die Qualität dann ausmachten. „Saure Fleck“ oder „Schnickelich“ wurden auch zur Kirchweih angeboten. Manche brachten sogar ihre Kochtöpfe mit, um sich noch eine Portion mit nach Hause zu nehmen. So wurde dieser wichtige Teil des fränkischen Brauchtums erhalten.

Grundlegende Renovierung

1980 wurde das Gasthaus „Stern“ grundlegend renoviert. Es wurden einige Gästezimmer eingerichtet – der Name lautete nun wieder Gasthof „Stern“. Obwohl manchmal Mitarbeiter von Kugelfischer dort übernachteten, wurde doch kein normaler Gasthofbetrieb aus dem Gasthaus. Ab 2008 übernahm Sohn Roland Aumüller den Betrieb und die Eltern halfen weiter fleißig mit. Roland und Resi Aumüllers gebackener Karpfen wurde zur regional bekannten Spezialität des Hauses. Um die Karpfen ganz frisch servieren zu können, gab es hinter der Küche ein Bassin mit lebenden Fischen aus Unterpreppach.

Dann wurde wieder an die jüngere Generation übergeben, Nina, die Tochter von Roland, wurde die Pächterin, aber die Corona-Krise und der Personalmangel machten ein Weitermachen unmöglich. Der Zustand der Küche sei gut, berichtete Theresia Aumüller. Es sei alles sehr gepflegt und sauber, hatten ihr immer wieder die Lebensmittelkontrolleure bestätigt. Nun hofft man darauf, einen neuen Pächter zu finden. Familie Aumüller freut sich auf jemanden, der sich gut mit der fränkischen Küche auskennt.

400 Jahre Geschichte

Der „Stern“ ist eines der ältesten Traditionsgasthäuser und Vereinslokale in Ebern, mit einer über 400-jährigen Geschichte. Im Türbogen ist das Erbauungsjahr 1601 eingetragen. Archivierte Briefe aus dem Jahre 1649 erlauben einen ersten Einblick in die Situation der Gastronomie in Ebern zu Beginn der Neuzeit. Es handelt sich um ein Anklageschreiben von zwei der damaligen Eberner Wirte - Hanns Koffer vom „Roten Hirschen“ (heute das „ Veracruz“) und Hanns Paulus Schmidt, Wirt des „Güldenen Löwen“ (heute die Grauturmapotheke), gesendet an die fürstbischöfliche Gerichtsbarkeit in Würzburg. Die beiden klagen den Glaser Adam Eisfelder an, ohne fürstbischöfliche Lizenz (Erblizenz) den Gasthof „Güldener Stern“ eröffnet zu haben und zu führen.

Sie beantragen, dass Adam Eisfelder aus diesem Grund gerichtlich gezwungen werden soll, seinen Gasthof zu schließen. Die Kläger stellen fest, dass es in Ebern vier Gasthöfe mit einer Erblizenz gebe, das heißt, vier Wirte hätten das Recht, einen Gasthof zu betreiben, aber dass der Stern nicht dazugehöre. Der Würzburger Fürstbischof Johann Philipp von Schönborn gab schließlich dem Angeklagten Recht. Er begründete das damit, dass Eisfelder in schwierigen Kriegszeiten Reisende bewirtet und somit nicht nur seine Pflichten als Gastwirt erfüllt, sondern der Stadt auch einen Dienst erwiesen habe. Das fürstbischöfliche Urteil begünstigte also den gastronomischen Neuanfang, was positiv für Eberns Entwicklung war. Ebern lag an der Handelsstraße von Nürnberg nach Erfurt. Reisende Pilger, Studenten, Geistliche, und Handwerker, aber vornehmlich Händler mussten mit ihren Pferden untergebracht und verpflegt werden. In Zeiten, in denen noch zu Fuß, mit Pferden oder Kutschen gereist wurde, konnte man nur kurze Etappen zurücklegen. Die Reisenden waren auf ein engmaschiges Netz von Gasthöfen angewiesen

Die Gasthäuser waren in der Regel im Erdgeschoss eines stattlichen Bürgerhauses untergebracht, und von außen durch einen Ausleger - ein oft reichlich verziertes Namensschild - gekennzeichnet. Diese weit in die Straße hineinreichenden Ausleger waren kunstvoll geschmiedet. Der Ausleger des Sterns ist ein Prachtstück. In geschichtlichen Quellen und alten Dokumenten finden sich immer wieder Hinweise auf dieses Gasthaus. 1716 kommt ein Pfarrer nach Ebern und beschreibt den „Stern“. Er sei „in dem bequemsten Quartier und Gasthof zum Güldenen Stern einlogiret und nach eigenem Verlangen bedienet“ worden.

Zentraler Treffpunkt

Wichtige gesellschaftliche Ereignisse spielten sich im „Stern“ und den anderen Gasthöfen ab. So wird 1858 anlässlich eines landwirtschaftlichen Bezirksfests, zu dem Menschen von weither anreisten, ein Ball im „Gartenlokal des Sternwirts Franz Eisfelder“ gefeiert. Drei Jahre später wurde die Fahne des Gesangsvereins aus Eyrichshof feierlich in das Gartenlokal des Sterns getragen und der Stern zum ehrenvollen neuen Vereinslokal gekürt.

Die Mitte des 19. Jahrhunderts scheint eine Glanzzeit für die Eberner Gasthöfe und auch den „Stern“ gewesen zu sein. Im Jahre 1857 erbaute Franz Eisfelder vor dem Grautor an der Hirtengasse eine Kegelbahn, einen Tanzboden und Zimmer. 1865 errichtete er massive neue Stallungen auf seinem Grundstück. Umso unklarer ist geblieben, warum Franz Eisfelder mit Frau, Tochter und Schwester fünf Jahre später nach Amerika auswandert.

Durch Heirat hießen die Wirte im „Stern“ nun Aumüller. 1944 starb der Wirt des „Sterns“ Peter Aumüller im Krieg. Seine Frau Agnes blieb mit dem Sohn Manfred und dem 1945 geborenen Peter auf sich gestellt zurück. Sie verpachtete den Gasthof, heiratete Ottmar Heusinger und betrieb die Wäscherei am anderen Ende des Grundstücks.Ein Angebot des Direktors Baum von der Sparkasse, den Stern zu kaufen, wurde abgelehnt. Die Sparkasse hatte bereits das Grohehaus gekauft und wollte auf dem Grundstück des „Sterns“ und des Grohe-Hauses ein großes Sparkassengebäude entstehen lassen.

1966 wurde das Grundstück geteilt. Sohn Manfred machte eine Ausbildung zum Wäscher- und Plättermeister und übernahm die Wäscherei, die er von 1966 bis 1972 führte, und dann verkaufte er sein Grundstück an die Sparkasse. Peter Aumüller und seine Frau Theresia, später ihr Sohn Roland, dann Tochter Nina führten den“Stern“ fort. Bis zum August letzten Jahres.

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