Ebersdorf Uralte Rituale und strenge Regeln

Gerd Fleischmann

Die Ebersdorfer Kirchweih wird bereits seit 300 Jahren gefeiert. Heuer muss sie wegen Corona leider ausfallen. Ein Blick in die Chronik ist aber trotzdem sehr interessant.

 
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Ebersdorf - Eigentlich hätte vom 8. bis zum 11. August die über 300 Jahre alte Trachtenkirchweih auf dem historischen Tanzanger in Ebersdorf bei Ludwigsstadt stattfinden müssen. Doch die Corona-Pandemie machte der 30-köpfigen Burschen- und Mädchengesellschaft ganz gehörig einen Strich durch die Rechnung. Lediglich während des Ersten- und Zweiten Weltkriegs ruhten die dörflichen Aktivitäten, die bayernweit eine Sonderstellung einnehmen. Dies bedauert der 21-jährige Altbursch Simon Reitz besonders, denn in Ebersdorf, idyllisch im Seitental der Loquitz gelegen, hat sich der uralte Kirchweihbrauch bis heute erhalten. Und im Jahre 1919 gab es einen Rekord: die Kirchweihgesellschaft zählte über fünfzig Paare.

Die Kirchweih gibt immer wieder auch Anlass, einen Blick in die Chronik zu werfen. Und diese sagt aus, dass Ebersdorf 1412 erstmals urkundlich erwähnt worden sei. Fleißig waren die Menschen, so auch die Schieferbrücher, die ihrer schweren Arbeit in Lehesten nachgingen und die Glasmacher, die in den Tettauer Hütten im Schweiße ihres Angesichts schufteten. Nicht zu vergessen sind die Bauern, denen ebenfalls nichts geschenkt worden ist.

Geprägt wird das Dorf von der evangelisch-lutherischen Pfarrkirche Maria Magdalena. Der Bau reicht bis in das späte Mittelalter zurück. Von seiner Gründung an hat der Ort zum Amt Lauenstein gehört. Dann tobten 1525 vielerorts die Bauernkriege, auch im Frankenwald. Die Unruhen gingen von den Bürgern von Ludwigsstadt aus. Ihnen schlossen sich die Bauern von Ottendorf, Lauenhain, Ebersdorf, Lauenstein, Langenau und Steinbach an der Haide an. Am 1. September leisteten die Bauern das eidliche Versprechen, sich friedlich zu verhalten. Noch im gleichen Jahr führte Friedrich von Thüna im ganzen Amt Lauenstein die Reformation durch. Von nun ab galt die Lehre Martin Luthers. Im Jahre 1634 setzten die Kronacher den Ebersdorfern böse zu: die Feinde brannten den Ort samt Kirche nieder. Erst um 1740 ist das zuvor notdürftig wiederhergestellte Gotteshaus ausgebaut worden. Bis 1841 folgten weitere Neuerungen.

Von besonderem Interesse in Ebersdorf ist der 1658 erstmals urkundlich erwähnte Angerplatz, auf dem bis zum heutigen Tage die Kirchweih mit Trachtenaufzug stattfindet. Ebersdorf, seit 1977 Stadtteil von Ludwigsstadt, hatte 1790 schon "66 Herdstellen und 395 Einwohner". Die Ebersdorfer waren, sind und bleiben ein geselliges Völkchen. Drum ist ihnen der Anger in unmittelbarer Nähe der Pfarrkirche so ans Herz gewachsen.

Dominant nach wie vor das Angerhäuschen. Tilmann Breuer schreibt in seinem Buch der Baudenkmäler: "An der Südseite die Musikempore, im Kern ein zweigeschossiger, verschalter Holzbau des 18. Jahrhundert mit verschiefertem Walmdach. Das im 19. Jahrhundert erweiterte Obergeschoss kragt mit einer offenen Laube weit gegen den Tanzplatz vor."

Brauchtumspflege kann mehr sein als stumme Theorie. In Ebersdorf zeigten seit Jahrhunderten junge Leute ein beachtliches Engagement. Die Burschen- und Mädchengesellschaft bemüht sich nach uraltem Ritual, die Trachtenkirchweih am Leben zu erhalten. Von Samstag bis Dienstag steht alles ganz im Zeichen althergebrachter Traditionen. Eine davon ist schon die Aufnahmebedingung in die Burschen- und Mädchengesellschaft: Mitglied kann nur werden, wer selbst oder mit einem Elternteil aus Ebersdorf stammt und nicht verheiratet oder verlobt ist.

So wie es der Brauch will, wählen die Burschen eine Woche vor Kermes-Beginn die Kellner. Der Altbursch, der die Kirchweih organisiert, wählt einen "Großen Kellner", der ihn während der Kirmes unterstützt. Der "Große Kellner" darf wiederum einen "Kleinen Kellner" bestimmen. Die beiden haften persönlich für das Festbier und dafür, dass immer genügend Nachschub da ist.

Der wichtigste Teil des Rituals vor Kermes-Beginn kommt am Sonntag. Es bilden sich die "Einhaltpaare". Sympathie und Schönheit sind dabei keine Kriterien, allein das Alter zählt. Auf dem Programm stehen die drei "Pflichttouren": Walzer, Rheinländer und Polka. Getanzt wird nicht irgendwo, sondern unter freiem Himmel auf dem kleinen Anger, so wie es der Brauch will. Der Lehmboden dort ist ganz besonders präpariert: Schon Wochen vorher stampfen und glätten die "Lösbuben" den Lehm, aus dem die Tanzfläche besteht, und decken sie bei Regen ab. Vor jedem Antanzen wird die sogenannte "Habbersiede" (gehäckseltes Haferstroh) kreisförmig von den Lösbuben auf die Tanzfläche gestreut. Die Lösbuben und Lösmädchen sind die Anwärter für eine Aufnahme in die Burschen- und Mädchengesellschaft. Sie müssen mindestens 16 Jahre alt sein.

Vor dem traditionellen Trachtenumzug am Sonntag übergibt der Bürgermeister die Kirchweihchronik an den "Altburschen" und eröffnet somit offiziell das Fest. Nach dem Tanz der Einhaltpaare lässt der "Große Kellner" den Altburschen und seine beiden Mädchen sowie Bürgermeister, Pfarrer und viele andere hochleben. Danach können alle im Schein der Kirchweihlaterne, die über dem Platz hängt, bis spät in die Nacht hinein tanzen, singen und feiern.

Am Montagnachmittag findet der sogenannte "Männeraufzug" statt. Dazu suchen sich die Kirchweihpaare Tanzpartner aus der Bevölkerung. Am Montagabend ist wiederum Tanz auf dem Anger. So richtig urig geht es zu, wenn am Dienstag die "Kermes-pöbel" losmarschieren. Dann versammelt sich das ganze Dorf am Anger, um mit den jungen Leuten zu feiern. Den zünftigen Abschluss bildet die Nachkirchweih am darauf folgenden Samstag.

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