Nach dem Ampel-Aus hatten bereits erste Berichte Diskussionen über Ursachen und Urheber des Koalitionsbruchs ausgelöst. "Zeit" und "Süddeutsche Zeitung" berichteten, dass in mehreren Treffen der engsten FDP-Führung seit Ende September Szenarien für ein Ende der Koalition durchgespielt worden seien - die Rede war von einem "Drehbuch".
Diskussion über "Idealen Zeitpunkt" zum Koalitionsausstieg
Im nun veröffentlichten Papier ist zum Beispiel davon die Rede, dass der "ideale Zeitpunkt" und ein "avisierter Ausstieg" aus der Koalition zur Mitte der 45. Kalenderwoche zwischen dem 4. und 10. November liegen könnte. Am 6. November kam es tatsächlich zum Bruch des Bündnisses - aber indem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer Sitzung des Koalitionsausschusses FDP-Chef Lindner als Finanzminister entließ.
Zuvor war im Papier abgewogen worden: Der "avisierte Ausstieg" zu diesem Zeitpunkt berge Risiken wegen der gleichzeitig stattfindenden US-Präsidentschaftswahl. Um sich davon "etwas zu entkoppeln", könne ein Ausstieg zu Beginn der 45. Kalenderwoche am 4. November erfolgen. Bei einer Verschiebung nach hinten werden andere Hindernisse angeführt: die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses, der geplante Grünen-Parteitag und ein eigener Parteitag, der vorbereitet und zu dem eingeladen werden müsste.
Festgehalten wird auch ein "Kernnarrativ" - also eine Hauptbotschaft, mit der der Ausstieg verknüpft werden könnte. Fundamentale Gegensätze in der Wirtschaftspolitik zwischen Rot-Grün und der FDP seien nicht durch Kompromisse zu überbrücken. Die Bundesregierung sei selbst zum größten Standortrisiko geworden. "Die deutsche Bevölkerung sollte in vorgezogenen Neuwahlen entscheiden, welchen Weg Deutschland zukünftig geht", heißt es weiter. Auch ein vorbereitetes Statement von Lindner ist bereits enthalten und Szenarien, wann, wo und über welche Kanäle man den Ampel-Bruch am besten verkünden könnte.
FDP spricht von "Arbeitspapier"
Die FDP bezeichnet das Dokument als "Arbeitspapier", das vom Bundesgeschäftsführer der Partei zum ersten Mal am 24. Oktober erstellt worden sei, veröffentlicht nun in der letzten Version vom 5. November. "Dieses technische Papier ist kein Gegenstand der politischen Beratung von gewählten Mandatsträgern und Regierungsmitgliedern gewesen, sondern eine rein interne Vorbereitung für das Szenario eines Ausscheidens der FDP aus der Ampel-Koalition", heißt es.
Vor allem zwischen SPD und FDP tobt bereits ein Kampf um die Deutungshoheit, inwiefern das Zerwürfnis von einer Seite provoziert worden ist. So sprach Lindner von einer "Entlassungsinszenierung" durch den Kanzler. Scholz ließ erkennen, womöglich hätte er die Entscheidung zur Entlassung Lindners früher treffen müssen.