Ende der Maskenpflicht Zwischen Furcht und Freiheit

Christopher Michael und Christof Rührmair
Nur jedes zehnte Geschäft in Bayern will von seinem Hausrecht Gebrauch machen und seinen Kunden beim Einkauf weiter Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Für die einen kommt das Ende der allgemeinen Maskenpflicht in vielen öffentlichen Bereichen einer Befreiung gleich. Andere wiederum fürchten, nun Opfer einer Infektion zu werden.

 
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Gut die Hälfte der bayerischen Unternehmen im Einzelhandel (50,4 Prozent) findet das Ende der Maskenpflicht in weiten Teilen des öffentlichen Lebens – und damit auch in Geschäften – falsch. Das geht aus einer repräsentativen Umfrage des Handelsverbands Bayern hervor. Gleichzeitig wollen jedoch drei Viertel der Geschäftsinhaber (77,4 Prozent) nicht von ihrem Hausrecht Gebrauch machen. Damit könnten sie trotz allgemeiner Lockerung auch weiterhin darauf bestehen, dass ihre Kunden eine Maske tragen.

Dass sie das oft nicht nutzten, erklärt Bernd Ohlmann, Pressesprecher des Handelsverbands Bayern (HBE) damit, dass viele Händler in Sorge seien, sonst Kunden zu verlieren: sei es an die maskenfreie Konkurrenz, sei es an den Onlinehandel. Gleichzeitig sorgten sich viele Unternehmer aber auch, Kunden zu verlieren, die sich ohne Maskenpflicht unsicherer fühlen.

Eine kurze, subjektive Blitzumfrage des Handelsverbands an diesem Montag, dem ersten Tag ohne Maskenpflicht, hat laut Ohlmann jedoch ergeben, dass etwa 90 Prozent der Kunden weiterhin eine Maske tragen würden. „Die Maske ist aktuell kein Auslaufmodell“, sagte Ohlmann im Gespräch mit unserer Zeitung.

In großen Geschäften sei die Bereitschaft der Kunden, eine Maske zu tragen, jedoch insgesamt höher als in kleineren Geschäften, in denen vielleicht sowieso nur ein oder zwei Kunden präsent seien. Zumindest solange die Infektionszahlen hoch blieben, geht Ohlmann davon aus, dass noch die meisten Kunden und Beschäftigten Maske tragen werden.

Etwas mehr als die Hälfte aller befragten Unternehmen (52,9 Prozent) wollen ihre Kunden mittels Hinweisplakaten oder Ähnlichen darum bitten, freiwillig eine Maske zu tragen. Fast zwei Drittel der Geschäfte (63,2 Prozent) wollen es ihren Mitarbeitern freistellen, ob diese eine Maske tragen oder nicht. Ein Fünftel (20,3 Prozent) der Befragten will das Tragen einer Maske anordnen und 16 Prozent aller Unternehmen wollen es nur für bestimmte Tätigkeiten, etwa im Verkauf oder an der Kasse, vorschreiben.

Zu den Ketten, die nach eigener Aussage keine Maske fordern wollen, gehören unter anderem Edeka, Rewe inklusive Penny und der Baumarktkette Toom, Lidl inklusive Kaufland, Aldi Süd, Ikea, Gartencenter-Betreiber Dehner, Globus, die Bekleidungskette Ernsting’s Family, das Kaufhausunternehmen Woolworth und der Buchhändler Thalia. Einzelne Ketten davon werden der Kundschaft und den Mitarbeitern allerdings empfehlen, weiter freiwillig Maske zu tragen.

In bayerischen Schulen gilt seit diesem Montag ebenfalls keine Maskenpflicht mehr. Bereits zuvor haben Lehrerverbände und Gewerkschaften scharfe Kritik am Aus für die Masken geübt. „Testen alleine wird es nicht richten“, kritisierte die Vorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Simone Fleischmann, schon kurz nach dem Kabinettsbeschluss. „Irgendwie haben wir doch alle gelernt, dass die Maske ein sichtbares Zeichen für Sicherheit ist. Und eigentlich doch auch eine einfach umzusetzende Maßnahme.“ Fleischmann befürchtete einen weiteren Unterrichtsausfall durch erkrankte Lehrer.

Der bayerische Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) zog indes eine positive Bilanz des ersten Tages ohne Maskenpflicht und Zugangskontrollen am Sonntag. „Die Stimmung war gelöst“, berichtete Landesgeschäftsführer Thomas Geppert. Insgesamt trug ihm zufolge noch etwa die Hälfte der Gäste eine Maske. Beim Personal waren es etwa 30 Prozent. Der Wegfall der Corona-Regeln sei „ein Schritt in die Normalität“, sagte er. Das Schlüsselwort sei Eigenverantwortung. Nur ein Bruchteil der Wirte setzt einer Dehoga-Umfrage zufolge per Hausrecht auf Zugangsbeschränkungen oder Maskenpflicht.

Trotz aller neuer Freiheiten ist die Unsicherheit in vielen Bereichen der Bevölkerung weiter groß. Leser unserer Zeitung äußerten in Telefonaten mit der Redaktion ihre Bedenken ob der neuen Regelungen. Besonders ältere Personen fürchten nun verstärkt um ihre eigene Gesundheit. Wie im Fall einer über 80-jährigen Frau aus dem Hofer Land: Sie, alleinstehend und ohne Verwandte in der Nähe, die ihr im Fall einer Erkrankung helfen könnten, habe nun jedes Mal Bedenken, wenn sie zum Einkaufen, zur Post oder zur Tankstelle fahre. Zu groß sei für sie die Gefahr, sich zu infizieren, wenn sie nun in Kontakt mit Infizierten komme, die beim Einkauf keine Maske trügen, klagt sie im Telefonat.

Die Maskenpflicht und andere Corona-Regeln in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens sind seit Sonntag weggefallen. Die Staatsregierung empfiehlt allerdings, in Innenräumen wie im Handel weiter Masken zu tragen.

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