Energie-Krise „Rolle rückwärts“ bei Heinz-Glas

Heinz-Glas stellt in Kleintettau und Piesau Glasflakons her. Die hohen Energiepreise stellen derzeit eine existenzielle Bedrohung für die Unternehmensgruppe dar. Foto: /Heinz-Glas

Die zunächst auf Eis gelegten Investitionen am Standort Piesau sollen nun doch kommen – sogarumfangreicher als geplant. Doch das geht nur, wenn der Staat sie mitbezahlt.

 
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Das Kleintettauer Traditionsunternehmen Heinz-Glas reagiert mit einer „Rolle rückwärts“ auf die Energiekrise, die sich aufgrund des Kriegs zwischen Russland und der Ukraine weiter verschärft hat. Wie die Unternehmensgruppe mitteilt, wird anstelle des am Thüringer Standort Piesau zunächst gestoppten beziehungsweise verschobenen Wannenbaus (wir berichteten) nun sogar mehr investiert werden – und zwar in einen „noch nachhaltigeren Produktionsstandort mit optimierter CO2-Bilanz“.

Das Problem: Ein Teil der dafür benötigten Technologien ist noch gar nicht existent und muss erst noch entwickelt werden. „Das muss jetzt schnell passieren, damit wir unsere Kunden ohne größere Unterbrechungen weiter beliefern können. Damit dieses Vorhaben Realität werden kann, kommt ein Betrag im mittleren zweistelligen Millionenbereich auf uns zu, den wir ohne Förderung nicht investieren können. Eine Abwanderung aus Deutschland wollen wir unbedingt vermeiden, doch dafür brauchen wir schnelle Unterstützung“, wird Carletta Heinz, CEO und Inhaberin der Heinz-Glas Group, zitiert.

Ursprünglich sollte im April dieses Jahres eine große Reparatur der vorhandenen gasbefeuerten Wanne mit verschiedenen Erweiterungsmaßnahmen in Millionenhöhe stattfinden. Die Reparatur der Wanne war dabei mit sieben Millionen Euro veranschlagt. Aufgrund der Energiepreisexplosion wurde dieses Vorhaben Ende Januar kurzfristig gestoppt und vorerst verschoben. Es war fraglich, wann und wie es mit dem Wannenbau in Piesau weitergehen könnte. „Eine solch hohe und langfristige Investition kann nicht getätigt werden, wenn der Betrieb der Anlagen aufgrund der viel zu hohen Energiekosten aktuell so unsicher ist“, entschied Carletta Heinz.

Wanne bleibt in Betrieb

Nun soll die vorhandene Wanne vorerst im nahezu laufenden Betrieb – also in heißem Zustand – repariert werden, sodass sie bis ins zweite Halbjahr 2023 weiterbetrieben werden kann. Danach wird die Glasschmelztechnologie vollständig von fossilem Gas auf kohlendioxidfreien Strom umgerüstet. Dazu muss die gesamte Schmelztechnologie neu konstruiert werden, was zusätzliche Maßnahmen zur Anpassung von Anlagen und Gebäuden notwendig macht, die das bisher geplante Investitionsbudget weit übersteigen.

Das Unternehmen hatte in den vergangenen Wochen in zahlreichen Medien massiv auf die hochproblematischen Energiepreise hingewiesen und auf allen politischen Ebenen auf die kritische Lage der Glasindustrie sowie der vor- und nachgelagerten Betriebe aufmerksam gemacht. Innovative, moderne und wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen blicken aufgrund der extremen Preisanstiege in eine unsichere Zukunft. Konkrete Forderungen an die Politik waren und sind noch immer der massive und vor allem schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien, wettbewerbsfähige Strom- und Gaspreise und die Aufnahme der Glasindustrie in die Liste der beihilfeberechtigten Industrien für die Strompreiskompensation. Letzteres scheint nun in greifbarer Nähe, nachdem der EU-Kommission bereits ein Entwurf zur Abstimmung hierzu vorliegt. Zudem wurde die Abschaffung der EEG-Umlage zum Juli von der Bundesregierung entschieden. „Beide Punkte sind wichtig für die energieintensive Glasindustrie, reichen aber nicht aus. Für den notwendigen Wechsel weg von fossilen Energieträgern hin zu grünem Strom braucht es einen wettbewerbsfähigen ‚Dekarbonisierungs-Strompreis’. Wir hoffen, dass die Politik die notwendigen Rahmenbedingungen schnell dafür setzen wird.“

Nachhaltige Technologien

Als Familienunternehmen will sich Heinz-Glas aber nicht nur auf staatliche Unterstützung verlassen, sondern einen eigenen Beitrag leisten. Schon seit Jahren setzt man hier auf nachhaltige Technologien in den Produktionsstandorten. Auf dieser Basis wurden nun auch die Entscheidungen für das Werk im thüringischen Piesau beleuchtet und neu getroffen.

Der Krieg zwischen Russland und der Ukraine und die damit verbundene Unsicherheit bei der Versorgung mit Erdgas hat die Lage in den vergangenen Tagen weiter verschärft. Neben drohenden weiteren Preiserhöhungen steht nun auch die grundsätzliche Gasversorgung in Frage. „Deshalb haben Inhaber und Geschäftsführung nun die mutige und zukunftsweisende Entscheidung getroffen, die Glasproduktion am Standort Piesau mittelfristig ohne fossile Brennstoffe und stattdessen mit Strom“ weiterzuführen. Carletta Heinz kommentiert hierzu: „Ich werde am Gründungsstandort unseres Familienunternehmens festhalten, solange eine Produktion in Deutschland zu wettbewerbsfähigen Bedingungen möglich ist. 400 Jahre Geschichte geben wir nicht so einfach auf und ebenso die Arbeitsplätze an diesem Standort nicht. Mit dem Umrüsten der Anlagen weg vom Gas und hin zu grünem Strom und gegebenenfalls auch Wasserstoff erreichen wir eine CO2-freie Produktion. So können wir wieder einmal eine Vorreiterrolle einnehmen und auf unser Ziel, einen Beitrag zum Schutz unseres Planeten zu leisten, weiter einzahlen.“ red

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