Engstelle Weichengereuth B4-Ausbau: Hilft Coburg ein Mediator?

Die Frage nach dem B4-Ausbau im Coburger Weichengereuth ist nach wie vor offen. Die CSU wagt im Landtag einen neuen Vorstoß - den die Stadt charmant findet.

 
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Kann ein Mediator die Diskussion um den B4-Ausbau im Weichengereuth beenden? Foto: NP-Archiv/Michael von Aichberger

Kommt jetzt ein „Mediationsverfahren“, um die schier endlose Frage nach dem B4-Ausbau im Weichengereuth zu lösen? Vor rund fünf Wochen hatten die CSU-Abgeordneten Martin Mittag (Landtag) und Jonas Geissler (Bundestag) das auf Nachfrage unserer Redaktion schon unisono vorgeschlagen. Auch, weil eine direkte Einflussnahme aus München – über das Bayerische Ministerium für Wohnen, Bau und Verkehr – zum jetzigen Zeitpunkt nicht zielführend sei. Und wenngleich, wie damals betont wurde, „der Ball nun eigentlich bei der Stadt Coburg liegt“.

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MdB Jonas Geissler (CSU) Foto: NP-Archiv/Alexandra Scherbel

Beide Abgeordnete waren sich damals einig: Der Erfolg der Mediation müsse von einem breiten Miteinander getragen werden, wie es bereits bei der Aufnahme der Maßnahme in den Bundesverkehrswegeplan 2016 der Fall war. Es bestehe in jedem Fall Handlungsbedarf. „Für die Coburger Wirtschaft, wie auch für die Beschäftigten, wäre eine entsprechende Einigung ein immens wichtiges und zukunftsweisendes Signal.“

Jetzt legt MdB Geissler nach. Wie er in einer Pressemitteilung erklärt, habe der Verkehrspolitische Sprecher der CSU-Fraktion im Landtag, Jürgen Baumgärtner (Kronach), den Vorschlag für ein Mediationsverfahren bei der B4-Weichengereuth aufgegriffen. „Der Ausbau der B4 ist das wichtigste Verkehrsprojekt für Coburg“, so Geissler. Es werde für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt dringend gebraucht und sei eine zentrale Verkehrsachse für die Menschen in Stadt und Landkreis.

Nach dem Nein der Stadt Coburg ruhten die weiteren Ausbaupläne. „Es ist wichtig, dass wir jetzt alle Beteiligten an einen Tisch bekommen und eine für alle tragfähige Lösung erarbeiten.“ Die Gesamtbetrachtung der B4 und der Coburger Südzufahrt, losgelöst vom Bundesverkehrswegeplan, ist laut Geissler genau ein solcher Weg. „Am Ende muss eine Lösung stehen, in der sich möglichst viele wiederfinden.“

Geissler ist zuversichtlich, dass das in einen Mediationsverfahren gelingt. „Auch wenn die Mehrheit des Coburger Stadtrats in den vergangenen Jahren eine andere Position eingenommen hat als die Wirtschaft oder der Landkreis, eint doch alle die Zielsetzung einer guten Gesamtentwicklung für die Region“, so der Bundestagsabgeordnete.

Der Landtag beschäftigt sich oft und viel mit Mediation, unter anderem mit einer großen Ausstellung vor rund acht Jahren. Unter dem Titel „Mediation – ein guter Weg zur Einigung“ sollte dieser Weg der konstruktiven Beilegung eines Konflikts, der in drei von vier Fällen erfolgreich verläuft, bekannter gemacht werden. Es sei ein Verfahren, das sich seit 1990 in Deutschland zunehmend etabliert habe.

Unterstützung findet Geissler bei seinem Parteikollegen Martin Mittag. Der Landtagsabgeordnete betont: "Wir wollen eine Lösung am runden Tisch herbeiführen." Es dürfe nicht um gegenseitige Schuldzuweisungen gehen, sondern darum, eine tragfähige Lösung in dem Prozess auszuloten. "Dass die aktuelle Situation im Weichengereuth nicht den Anforderungen an den Wirtschaftsstandort Coburg entspricht, ist für uns weiterhin unstrittig."

 (OB Dominik Sauerteig/Archiv)

Und was sagt die Stadt Coburg? „Ich begrüße ausdrücklich, dass wir nun endlich wieder parteiübergreifend und faktenbasiert über die verkehrlichen Zusammenhänge im Coburger Süden und weniger emotionsgetrieben sprechen", so Oberbürgermeister Dominik Sauerteig in einer Pressemitteilung. Und: "Ich denke, das ist auch im Sinne des Coburger Stadtrats."

Sauerteig betont, er setze sich seit langem schon persönlich für eine "intelligente Verbesserung" der verkehrlichen Infrastruktur im Coburg Süden ein. "Ich hatte mich erst in den vergangenen Wochen und Monaten erneut an Bundesverkehrsminister Volker Wissing und lokale Abgeordnete aus Bund und Land sowie das Staatliche Bauamt gewandt mit der Bitte um Ermöglichung eines ergebnisoffenen Austausches."

Der OB hat MdL Baumgärtner bereits signalisiert, gerne mitzuwirken. "Hoffentlich kommen wir so zu einer verkehrlichen Gesamtlösung", sagt er. Und die solle nicht nur "Stückwerk im Weichengereuth" betreffen, sondern nachhaltig und zukunftsorientiert den Verkehr von der Frankenbrücke über das Weichengereuth bis zur Südzufahrt verbessern. Sauerteig wünscht sich eine Lösung, die den vielschichtigen und komplexen Zusammenhängen zwischen den Anforderungen von Wirtschaft, Natur, Bahn und Anwohnern sowie Verkehrsteilnehmern zu Fuß, mit dem Rad und dem Kfz Rechnung trägt. Eine solche Lösung werde über viele Jahrzehnte diskutiert und werde - gesellschaftlich und politisch - von breiten Mehrheiten getragen.

Auch Stadtratsfraktion und Stadtverband von Sauerteigs Partei SPD begrüßen die Initiative zur Mediation. Stellvertretendem Vorsitzenden Stefan Sauerteig zufolge befassten sie sich bereits seit 2014 mit der Thematik B4-Ausbau und fordern, bei der Umsetzung sowohl die gesamte Verkehrssituation als auch die Auswirkungen auf die Anwohner im Blick zu behalten. "Es ist kein Geheimnis, dass wir uns immer für die Lösung einer intelligenten Dreispurigkeit aussprachen und uns damit möglicherweise auch die Möglichkeit der Wiederherstellung der Zweigleisigkeit im Weichengereuth offenhalten", heißt es in der Stellungnahme. Das sei ein "wichtiger Joker auf der Schiene", beispielsweise zur Unterstützung des ICE-Systemhalts. Man hoffe, dass zentrale Schwachpunkte der Planung, wie zum Beispiel die Ampelanlagen, die Abbiegeregelungen oder die teilweise massiven Eingriffe in das natürliche Umfeld, bereinigt und neu gedacht werden.

Im Verfahren nimmt sich ein Mediator des Themas an und ergründet die Konflikte hinter den Konflikten, die – wie bei einem Eisberg – unterhalb der Oberfläche liegen. Als Vermittler steht er neutral und überparteilich zwischen den Konfliktparteien und verhilft im Rahmen des Mediationsverfahrens zu einer einvernehmlichen Lösung. Voraussetzung: die Kontrahenten streben die Beilegung der Streitigkeit auch tatsächlich an.

Bundesweit gibt es ein „Mediationsgesetz“: Es wurde 2012 verabschiedet, auch um Gerichte zu entlasten – wird es doch vom Gesetz auch dort in Teilen zugelassen. Ursprünglich als Konfliktvermittlung im privaten Bereich entwickelt, ist die Mediation damit einen weiteren Schritt auf die Politik zugegangen. Vonseiten der Mehrzahl der Parteien wird sie auch bei Infrastrukturprojekten oder politischen Diskussionen ausdrücklich als geeignet angesehen und meist begrüßt.