Entführung Mitangeklagter belastet Bruder

Mathias Mathes
  Foto: picture alliance/dpa/Volker Hartmann

Blut ist dicker als Wasser, heißt es. Dies gilt aber offenbar nicht immer – und schon gar nicht im Prozess um die Entführung eines 63-Jährigen.

 
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I m Prozess um die Entführung eines heute 63-jährigen Mannes aus Thüringen vom Marktplatz in Bad Rodach hat am Dienstag einer der vier Angeklagten seine Sicht der Dinge geschildert. Demnach sei offenbar sein Bruder zu dem Schluss gekommen, zu Selbstjustiz greifen zu müssen.

Dem ebenfalls auf der Anklagebank sitzenden Bruder habe das Entführungsopfer S. Geld geschuldet. Laut Coburger Staatsanwaltschaft seien dies mit der Forderung des beschuldigten K. rund 50 000 Euro gewesen. In der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober vergangenen Jahres sollen sie dann von dem in der Werkstatt von K. festgehaltenen Geschädigten jedoch gleich 400 000 Euro mehr gefordert haben (die NP berichtete).

Doch welche Rolle spielten die vier Beschuldigten jeweils? In einer von seinem Verteidiger Till Wagler vorgetragenen Erklärung ließ der Angeklagte S. verlauten, dass er seinen Bruder von der Entführung und der Erpressung habe abbringen wollen. Er habe weit entfernt im Raum Hannover gearbeitet, als er telefonisch erfahren habe, dass etwas laufe im Zusammenhang mit dem Geschädigten. „Er fürchtete, dass sein Bruder Mist gebaut hat“, so Wagler. Die Befürchtungen sollen sich bestätigt haben, als Waglers Mandant in der Nacht bei der Werkstatt eintraf. Man wolle den Entführten zu Polizei bringen, habe ihm der Bruder gesagt. Es sei zum Streit gekommen. Dabei habe er den Bruder aufgefordert: „Dann bringt ihn zur Polizei oder lasst ihn laufen.“ Nach den Worten der Vorsitzenden Richterin Jana Huber hat nicht nur Waglers Mandant, sondern auch der Beschuldigte K. angegeben, „von der Situation völlig überrumpelt“ gewesen zu sein. Seine Werkstatt habe er nur als „Zwischenlager“ für den Geschädigten auf dem Weg zur Polizei angeboten. Die Entführung endete dann nicht bei der Polizei, sondern in einer Anwaltskanzlei in Coburg.

Wie der 63-Jährige angegeben hatte, griff er zu einer List, um seinen Entführern zu entkommen. Die hätten ihn eine Nacht in der Werkstatt festgehalten und ihn mit dem Tod bedroht, wenn er nicht seine Geldschulden bei ihnen begleiche. Er habe dann gesagt, dass er mehrere Hunderttausend Euro in einer Anwaltskanzlei in Coburg aufbewahren lasse. Am Morgen hätten sich die Beschuldigten zwecks Geldübergabe mit ihm zu der Kanzlei begeben.

In Coburg wartete der Beschuldigte K. vor der Kanzlei auf das versprochene Geld. Er sollte vergeblich warten, hatte der Geschädigte doch keinen Cent bei den Anwälten hinterlegt. Stattdessen hatte der von dem 63-Jährigen angetroffene Anwalt die Polizei gerufen, die K. zur Rede stellte, jedoch noch nicht verhaftete. Aufgrund des Ereignisses nahmen die Ermittlungen jedoch ihren Lauf. Den vier Angeklagten im Alter von 35, 38, 41 und 60 Jahren werden unter anderem erpresserischer Menschenraub, Geiselnahme und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen.

Weitere Verhandlungstermine: 12. und 19. Juli, jeweils 9 Uhr

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