Erste Flüchtlinge in Neustadt Hilfe dringend benötigt

Peter Tischer
Lina und ihre Tochter Marianna haben bei Dieter Wolf in Neustadt Zuflucht gefunden. Foto: Tischer

Dieter Wolf und seine Tschernobyl-Kinderhilfe kümmern sich um Mütter und Kinder aus der Ukraine. Die Männer bleiben, um zu kämpfen.

 
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Neustadt/Fedoriwka - Es ist Donnerstagnachmittag und es sind Faschingsferien. Normalerweise für Kinder ein Paradies, um bei strahlendem Sonnenschein draußen zu spielen. Doch der neunjährigen Marianna ist nicht danach. Sie ist traurig und hat Angst, obwohl sie mit ihrer Mama Lina aus der Ukraine fliehen konnte. Gestrandet bei Dieter Wolf von der Tschernobyl-Kinderhilfe, den sie aus unzähligen Besuchen in Fedoriwka kennen.

Während der Unterhaltung, die mittels Handy-Translator gut geführt werden kann, klingeln Wolfs Telefone ununterbrochen. Immer wieder Anfragen, was an Hilfsmitteln gebraucht wird und dass Unterkunftsmöglichkeiten bestünden. Zwischendurch ein Anruf auf Mariannas Handy: Zwei Frauen und drei Kinder sind auf dem Weg aus der Ukraine nach Berlin. Auch sie wollen zur Tschernobyl-Kinderhilfe nach Neustadt.

„Oxana und Marina und ihre Kinder kommen ebenfalls aus Fedoriwka“, bestätigt Wolf sofort, dem seine Frau Sigrid bei all den organisatorischen Aufgaben zur Seite steht. Sie konnten nur mit der Flüchtlingshilfe vor Ort auf dem Berliner Hauptbahnhof in den ICE nach Coburg einsteigen und wurden dann von Wolf am Coburger Bahnhof abgeholt. „Die Flüchtlingshilfe hat sich sogar erkundigt, ob die fünf Ukrainer bei uns wohlbehalten angekommen sind“, freut sich Wolf über deren Engagement. „Wir haben noch am Donnerstagabend die zwei Frauen und ihre drei Kinder in einer sauberen, modernen und geräumigen Wohnung in Rödental unterbringen können“, dankt Wolf auch der Familie, die das ermöglicht hat, und er stellt klar: „Es ist nicht unsere Aufgabe oder Pflicht, aber wir machen das trotzdem und helfen unbürokratisch.“ Dazu gehört vollständiges Einkleiden und eben das „an die Hand nehmen zum Beispiel bei Behördengängen“.

Das erste Einkleiden haben Lina und ihre Tochter Marianna schon geschafft; „500 Euro sind da wie nichts benötigt worden“, erläutert Wolf und bittet um Geldspenden, um weitere Hilfen zu ermöglichen.

Die Ereignisse überschlagen sich weiter. Am Freitagfrüh erhält Wolf von Tatjana die Nachricht, dass ihr, ihrer Tochter Nastja sowie der anderthalbjährigen Enkelin Mischel die Flucht aus Kiew gelungen ist, das derzeit unter starkem Beschuss steht. „Sie hoffen, sich zur polnischen Grenze durchschlagen zu können, und wir werden sie dann hier unterbringen“, verspricht Wolf, „sie hatten sich vorher jeden Tag von uns verabschiedet, weil sie glaubten, nicht zu überleben.“

Zurück zu Lina. Sie erzählt von ukrainischen Frauen, die Seite an Seite mit ihren Männern gegen den Aggressor Russland kämpfen, von Dorfbewohnern, die Schützengräben ausheben und die Soldaten verpflegen und von ihrer Verwandtschaft, die nicht aus Fedoriwka fliehen konnte. „Unsere Kinder haben schreckliche Angst“, berichtet die Kinderpsychologin, die in Fedoriwka als Kindergärtnerin gearbeitet hatte. Auf der Flucht hatte sie nur einen kleinen Rucksack mit dem Allernötigsten mitnehmen können. „Wir wurden von Verwandten mit dem Auto in die Nähe der polnischen Grenze gebracht und sind dann über einen kleinen Grenzübergang nach Polen gelangt“, erzählt sie und ihre Worte klingen automatisiert, man merkt ihr den Schock an, der sie permanent begleitet. In Warschau können sie in einen Zug steigen, der sie kostenlos nach Berlin bringt. Dort wird sie von Wolfs Sohn Thomas abgeholt. „Der Zug war so überfüllt, dass er wohl an die Flüchtlingszüge im Zweiten Weltkrieg erinnert“, erzählt Thomas, der sich als 2. Vorsitzender bei der Tschernobyl-Kinderhilfe engagiert.

Dieter Wolf ist indes dankbar, dass sich aus der Region Unterstützung meldet, Sach- und Geldspenden eingehen, wie Arzneimittel, aber auch Süßigkeiten für die Kinder.

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