Europa endet – Bratwurst nicht Fränkisch, thüringisch, elektrisch: Die Letzte Bratwurst vor Amerika

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Vorne Wurstkultur, hinten der Atlantik Foto: imago

Wo Europa endet und Amerika immer noch 5000 Kilometer entfernt ist, da ist gute Bratwurst. Natürlich kann sie nur aus Franken und Thüringen kommen. Ein Bericht vom Cabo Sao Vicente in Portugal.

 
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Unten zischt die Gischt, hinter sich hat man ganz Europa, vorne fünftausend Kilometer Atlantik und oben brutzelt’s: Die „Letzte Bratwurst vor Amerika“ gibt es am gleichnamigen Stand am Sankt-Vincent-Kap in Portugal am Stand von Wolfgang Bald. Hier am südwestlichsten Punkt Europas, der einst als Ende der Alten Welt galt, hoch über den windigen Felsklippen der Algarve, betreibt der Nürnberger seit 25 Jahren den entferntesten kontinentalen Außenposten der deutschen Bratwurstkultur.

Und die ist hier selbstverständlich thüringisch und fränkisch. „Bei uns gibt’s die Qualität und das Rezept wie in der Heimat“, erzählt Bald, der nach langer Corona-Pause seit einigen Wochen wieder seine bunte Bude kurz vor dem Leuchtturm geparkt hat. Heimischer Duft mit Atlantikbrise, ein cooles Fotomotiv und tatsächlich eine Gegrillte fast wie daheim: Die „Letzte Bratwurst vor Amerika“ ist Kult unter Algarve-Urlaubern. Den deutschen. „Die Portugiesen essen sehr konservativ, denen schmeckt das nicht“, sagt Bald. Also Diaspora-Treffpunkt statt Missions-Station. Jedenfalls: Der Laden soll bald wieder so brummen wie vor der Pandemie. Das tat er so sehr, dass Wolfgang Bald gar nicht mehr selber hinterm Grill stehen muss.

Aber natürlich ordert er das Grillgut. Die beliebteste Sorte: Thüringer Bratwurst im Brötchen. Die hat 2900 Straßenkilometer hinter sich, wenn sie aus dem ostthüringischen Schmölln hier am Südwestzipfel Europas ankommt. Von der fränkischen Filiale des gleichen Großmetzgers bezieht Wolfgang Bald die Nürnberger Rostbratwürste, die Nummer 2 bei seinen Kunden.

Die Lieblingswurst des Standbesitzers ist aber eine „made in Portugal“. Ein deutschstämmiger Metzger stellt sie im Süden des Landes her, nach einem uralten Originalrezept aus Oberfranken. Ein „Ur-Metzger aus Streitberg in der Fränkischen Schweiz“ habe es ihm anvertraut, sagt Wolfgang Bald. „Die schmeckt dann wie bei Großmutter“, sagt der. Vielleicht sogar noch besser. Die Zutaten nämlich kommt von einem großen Gutshof in der portugiesischen Alentejo-Region, von Schweinen, die sommers wie winters draußen sind, mit Fleisch voller Aroma von der natürlichen Nahrung in Wiesen und Wäldern. Bald ist überzeugt: „Diese Fleischqualität bekommen Sie in Deutschland nicht.“

Kompromisse muss die Bratwurst dennoch eingehen, damit sie zur letzten vor Amerika werden kann: Sie kommt gebrüht daher. Frische Würste stürben auf dem Transportweg unter südlicher Hitze. Auch die inländisch gefertigten, die nach oberfränkischer Art, werden so vorbehandelt. „Gleiche Wettbewerbsbedingungen“ nennt Bald als Grund.

Ganz und gar ungleiche Bedingungen im Vergleich zu Franken und Thüringen sind der Grund für das zweite Zugeständnis ans Ende Europas: Der Bratwurstgrill wird elektrisch betrieben. Notgedrungen. Holzkohle und Gas haben keine Chance gegen den Atlantikwind – der kracht hier so stark, dass er die Glut gar nicht erst anfacht, sondern mitsamt der Flammen einfach ausbläst. - Mehr dazu in unsem köstlichen Dossier zum "Tag der Bratwurst"

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