Familien und ihre Debatten Brauchen wir einen Familienrat?

Sandra Markert

Debatte auf Augenhöhe – aber ohne Brüllen und Vorwürfe. Wie Zuhören und Probleme lösen gemeinsam gelingen kann.

 
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  Foto: Nadja Furrer

Wenn ihr abends die Kleinen ins Bett bringt, fühle ich mich ausgeschlossen.“ Nadja Furrer war erstaunt, als ihre älteste Tochter, 9 Jahre, diesen Satz auf einen Zettel schrieb und auf das runde Spielfeld klebte. Dass einem Mädchen in der Vorpubertät vieles nicht passt, was die Eltern so tun und sagen, ist sie gewohnt. „Dieser Kritikpunkt aber war mir neu, und ich bin froh, dass er zur Sprache kam.“

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Familie Furrer führt seit einigen Monaten regelmäßig Familienrat. Da zwei der drei Kinder mit zwei und vier Jahren noch recht klein sind, hat sich Nadja Furrer, die den Eventbereich der Züricher Hochschule der Künste leitet, ein spielerisches Tool dafür ausgedacht, einen runden Kreis mit verschiedenen Zonen.

Wie geht „Familienrat“?

Mithilfe von Post-its kann hier jedes Familienmitglied anbringen, was es gerade im Alltag stört – etwa, dass zu wenig aufgeräumt wird, dass es zu laut ist oder dass einer sich eben ausgeschlossen fühlt. Gemeinsam wird nach einer Lösung gesucht, und das Problem wandert im Kreis langsam nach außen, bis es der Betreffende als erledigt ansieht. „Ich hätte nie gedacht, dass das so gut funktioniert, die Kinder es so gut annehmen und Dinge tatsächlich eine andere Wirkung haben, wenn wir sie gemeinsam besprechen“, sagt Nadja Furrer.

Zuvor war es bei den Furrers wie in so vielen Familien. Eigentlich weiß man, dass einander zuhören, Dinge gemeinsam entscheiden, verschiedene Bedürfnisse berücksichtigen zentral sind für einen wertschätzenden Umgang mit guter Kommunikation.

Der Alltag aber sieht oft anders aus: Jeder hat viel zu tun, ist gestresst, müde, genervt. Eltern befehlen („Räum endlich auf!“), Kinder motzen („Immer ich!“), und am Ende des Tages ist trotzdem noch viel Chaos übrig, und glücklich ist damit keiner.

Den richtigen Zeitpunkt finden

„Man verliert in dem ganzen Alltagsstress oft aus den Augen, wie es den anderen gerade eigentlich geht und welche der täglichen Streitpunkte wirklich wichtig sind.“ Familienberaterin Claudia Hildebrandt aus Berlin erlebt bei ihrer Arbeit, dass viele Familien einen Familienrat dann einführen, wenn schon Konflikte da sind. „Gerade dann startet man so ein Instrument aber möglichst erst einmal mit einer positiven Runde.“

So könne etwa jeder erzählen, was aus seiner Sicht derzeit in der Familie oder im eigenen Leben gut laufe. Oder man sagt den anderen Familienmitgliedern, was man an ihnen schätzt. „Ein Familienrat sollte ja von allen als etwas Angenehmes wahrgenommen werden und nicht als eine Zeit, in der nur Konflikte diskutiert werden“, sagt Claudia Hildebrandt.

Damit sich alles in diesem Kreis wohlfühlen, sei es auch wichtig, dass keiner reden muss. „Jeder ist dabei, man kann den Raum nutzen, muss es aber nicht“, so Hildebrandt. Gerade Kinder nähmen die Möglichkeit gern an, von allen in Ruhe gehört zu werden – und sie werden dadurch gestärkt.

Der Zauber der Augenhöhe

„In einem Familienrat begegnen sich alle auf Augenhöhe, für Kinder gelten die gleichen Gesprächsregeln wie für Erwachsene“, sagt Hildebrandt. Alle hören sich gegenseitig zu, lassen sich ausreden – und jede Meinung trägt dazu bei, ein Problem zu lösen.

Wie oft man einen Familienrat abhält, muss jede Familie für sich herausfinden, sagt Nadja Furrer. „Wichtig ist, dass man es regelmäßig macht.“ Man dürfe sich weder zu viel vornehmen, noch auf ein Wunder hoffen. „Aber der Zusammenhalt in der Familie ist nun ein anderer, und die Kinder können lernen, wie man sich zuhört, Bedürfnisse formuliert und als Team agiert.“

Info

Und wie macht man das?
Das von Nadja Furrer entwickelte Material für einen Familienrat samt Erklärung gibt es hier