Fehler, Misserfolge und Co. Warum man übers Scheitern reden sollte

Alena Hecker

In Deutschland zählen Fehler und Misserfolge oft als Schwäche. Dabei ist es wichtig, über diese zu sprechen. Wir erklären, warum das so ist und weshalb nicht jeder auch aus eigenen Fehlern lernt.

 
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Vor allem im Job macht man Fehler und erlebt Misserfolge – darüber zu reden hilft auch einem selbst. Foto: imago/Daniel Ingold

Niemand spricht gerne über Misserfolge. Doch gerade in Bereichen wie der Luftfahrt oder der Pflege kann eine falsche Einschätzung im schlimmsten Fall sogar zum Tod von Menschen führen. Umso wichtiger also: Ein offener Umgang mit Fehlern und die Frage nach ihren Ursachen. Denn so können auch andere daraus lernen und versuchen, Ähnliches zu vermeiden.

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„Wir wollen eigentlich immer nur über Erfolge sprechen“, sagt Martina Leisten. Sie ist in ihrem Leben bereits einige Male gescheitert. Zweimal versuchte sie erfolglos ihren Traum vom eigenen Café zu verwirklichen, hatte dann Schulden, rutschte in die Privatinsolvenz. Später nahm sie an einer Fernsehshow teil, in der Hoffnung, das Preisgeld von 10 000 Euro für die Tilgung ihrer Schulden nutzen zu können. Stattdessen schied sie in der ersten Folge aus, wurde zusätzlich von Stefan Raab in dessen Sendung vorgeführt.

Reden kann bei negativen Gefühlen helfen

An ihrem Tiefpunkt hat ihr eine Therapie weitergeholfen, mittlerweile arbeitet sie selbst als Lebens- und Jobcoach. Außerdem hat sie ein Buch darüber geschrieben, wie sich Anspannung und Stress reduzieren lassen. Leisten wirbt dafür, auch negative Gefühle zu etablieren und offen mit Scham, Schuld, Wut oder Traurigkeit umzugehen. „Dadurch wird es meistens besser.“, sagt sie. Wer sich einmal dazu durchgerungen habe, sich in einer persönlichen Krisensituation einer anderen Person anzuvertrauen, brauche meist keine Ratschläge, sondern einfach jemanden, der zuhört. Hilfreich könne es stattdessen sein, Fragen zu stellen, um die betroffene Person dazu zu bringen, selbstständig eine Lösung zu finden, sagt sie.

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Auch im Job kommen Misserfolge und Fehler vor. In Bezug auf den Umgang mit letzterem können Vorgesetzte ein Vorbild sein, indem sie offen über eigene Fehler sprechen und das Kollegium ermuntern, es ihnen gleichzutun. Je vertrauensvoller und wertschätzender der Umgang miteinander ist, desto leichter fällt es, Fehler zu thematisieren.

Wie das ablaufen kann, sieht man laut Wirtschaftswissenschaftler Jan Hagen im Bereich der Luftfahrt. Er forscht an der European School of Management and Technology in Berlin zum Thema Fehlerkultur und sagt: „Wenn im Cockpit etwas falsch läuft, werde ich aktiv ermuntert, darüber zu berichten. Der Chef muss darüber informiert werden, wo Fehler gemacht wurden, es folgt eine schonungslose Aufklärung.“ Die Leistungsfähigkeit der Flugzeugbesatzung hänge vom Kommunikationsverhalten des Kapitäns ab. „Wenn der Kapitän Fragen stellt, anstatt Anweisungen zu geben, ist der Co-Pilot gefordert, frei zu sagen, wie er in einer bestimmten Situation handeln würde.“ Im besten Fall könne das etwas sein, das der Kapitän selbst nicht bedacht habe.

Auf Fehlern lernt man nicht unbedingt

Zum richtigen Fehlermanagement gehört laut Hagen auch die Einsicht, dass Fehler sich niemals ganz vermeiden lassen. „Aber dann muss ich verstehen, warum ich etwas gemacht habe und in der Folge versuchen, besser zu werden.“ Also frei nach dem Motto: Aus Fehlern lernt man? Gemäß den Ergebnisse einer Studie von Forschenden an der University of Chicago stimmt das nur teilweise. Die Untersuchung legt nämlich nahe, dass das eigene Scheitern den Lernprozess sogar hemmt, anstatt ihn zu fördern. Bei der Studie wurden Menschen Wissenstests mit zwei Antwortmöglichkeiten vorgelegt. Hinterher wurde ihnen mitgeteilt, ob sie die Fragen falsch oder richtig beantwortet hatten. Folgetests mit leicht variierten Fragestellungen zeigten: Diejenigen, die richtig geantwortet hatten, merkten sich die Inhalte leichter und waren danach noch besser. Diejenigen, die Fehler gemacht hatten, schnitten in der Folge noch schlechter ab.

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Scheitern bedrohe das eigene Ego, so die Schlussfolgerung des Forschungsteams. Es führe dazu, dass die Leute abschalten. Menschen, die einen Fehler machen, sind demnach so sehr in ihrem Selbstwertgefühl erschüttert, dass sie glauben, die Aufgabe sei zu schwer für sie. Allerdings zeigt die Studie auch, dass sich trotzdem aus Fehlern lernen lässt – wenn andere sie gemacht haben. Denn wer mit dem nötigen Abstand auf Fehler von anderen schaut, kann sehen, was falsch lief, und daraus dann die richtigen Schlüsse ziehen.

Fehler sind wichtig, die eigenen Stärken aber auch

Martina Leisten kann mit Heldengeschichten übers Scheitern und die daran anknüpfenden Erfolge nichts anfangen. Selbst wenn man den Willen habe, immer wieder aufzustehen: „Optimismus und Durchhaltevermögen allein reichen oft nicht aus“, sagt sie. Ihren Coaching-Kunden versucht sie beizubringen, dass diese sich differenzieren. Denn: „Fehler sind das eine, wichtig ist aber genauso, sich anderer Stärken bewusst zu werden.“

Peinliche Fehler der Wissenschaft

 Einheiten
Die Nasa-Sonde „Mars Climate Orbiter“ verglühte 1999 auf dem Weg zum roten Planten in dessen Atmosphäre. Grund: die Behörde berechneten den Anflug auf den Mars mit Metern und Kilometern, die Navigationssoftware aber war in Zoll und Fuß ausgelegt.

Masse
Dass 100 Gramm Spinat 35 Milligramm Eisen enthalten, ist ein hartnäckiger Mythos. Er entstand, weil ein Physiologe anstatt frischem Spinat getrockneten untersuchte. Frischer Spinat besteht zu 90 Prozent aus Wasser – der Eisengehalt muss um eine Kommastelle berichtigt werden.