Ferienausschuss wegen Corona Linke klagen gegen Ausschussregelung

Christian Schuster
Der Kreisausschuss bereitet in der Regel die Beschlüsse des Kreistags vor. Dort beraten sich die Fraktionen in reduzierter Zahl meist über die kreiseigenen Wirtschaftsbetriebe, wichtige Investitionen oder Kassen- und Personalangelegenheiten. In diesem Jahr hat der Kreisausschuss in einer Funktion als Ferienausschuss den Kreishaushalt beschlossen. Wegen hoher Inzidenzen hatte dies der Kreistag in Mehrheit beschlossen. Foto: /Christian Schuster

Auch Landkreise dürfen seit März Ferienausschüsse einberufen – und haben dies bereits getan. Der Grund: das Infektionsrisiko. Die Linke übt Kritik.

 
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Kreis Haßberge - Die Linke sieht durch die Corona-Pandemie derzeit nicht nur die Gesundheit der Bürger gefährdet, sondern auch die Demokratie: Vergangene Woche trat in Bayern eine Änderung der Gemeinde-, Kreis- und Bezirksordnungen in Kraft. Mit ihr soll zum Schutz der Mandatsträger bei hohen Infektionszahlen vor allem der Einsatz sogenannter Corona- oder Ferienausschüsse und das Abhalten von Sitzungen auch als Videokonferenz geregelt werden. Mit der Gesetzesänderung sollte nun Rechtssicherheit herrschen. Denn auch wenn eine Sitzung mit zig Parteivertretern pandemiebedingt nicht stattfinden kann – oder sollte – müssen wichtige Beschlüsse rechtsgültig gefasst werden, um die Handlungsfähigkeit der Kommunen zu gewährleisten.

Mit dem Inkrafttreten der Novelle reichte ein Zusammenschluss von knapp drei Dutzend Mitgliedern des Landesverbands der Partei DIE LINKE eine Popularklage beim bayerischen Verfassungsgerichtshof dagegen ein. Ferien- und Sonderausschüsse würden einen „inakzeptablen Eingriff in die Demokratie“ darstellen, heißt es in der Begründung des Landesverbands.

„Mandatsträger können ausgeschlossen werden“

„Aufgrund der Änderungen im Kommunalrecht ist es möglich, dass zwei Drittel der Mandatsträgerinnen und –träger von kommunalpolitischen Entscheidungen bis zum Jahresende ausgeschlossen werden können“, äußert sich auch Thomas Dietzel, Vorsitzender des Linken Bündnisses im Landkreis Haßberge, in einer Mitteilung an die Presse. Und Dietzel weiß, wovon er spricht. Denn er hat zum Jahreswechsel das Amt als einziger Vertreter der Linken im Kreistag von Parteikollegin Sabine Schmidt übernommen (die NP berichtete). An Abstimmungen durfte der Kreisrat jedoch erstmals in der März-Sitzung teilnehmen.

Wegen Infektionszahlen mit einer Tagesinzidenz von zum Teil weit über 100 war nicht nur die letzte Sitzung des Kreistags im Dezember 2020, sondern auch die Versammlungen im Januar und Februar dieses Jahres abgesagt worden. Auch hier wollte man sinnigerweise Kontakte vermeiden. Der Landkreis war daher sogar untypischerweise ohne verabschiedeten Haushalt ins Jahr 2021 gestartet. Um diesen zu beschließen, hatte die Kreisverwaltung schließlich Ende Januar einen Ferienausschuss in einer Sondersitzung einberufen – eine Möglichkeit, die bisher nur Städten und Gemeinden vorbehalten war. Mitte Dezember hatte das bayerische Innenministerium dieses Vorgehen jedoch auch auf Landkreisebene für zulässig erklärt. Statt der regulären 60 Kreisrätinnen und Kreisräte hatten sich also lediglich die zwölf Mitglieder des Kreisausschusses zur Abstimmung getroffen.

Mehrheitsverhältnisse ändern sich, Fraktionen verlieren Stimmrecht

Grundsätzlich soll die Zusammensetzung des Kreisausschusses die Mehrheitsverhältnisses des Kreistags abbilden. Durch die kleinere Zahl der Gremiumsmitglieder ergeben sich dabei jedoch Unwuchten im Stimmverhältnis. Während etwa sonst sieben Vertreter der CSU auf einen Vertreter der ÖDP kommen, sind es im Ausschuss vier zu eins. Linken-Kreisrat Dietzel fällt als Einzelvertreter seiner Partei sogar komplett hinten runter. Zwar darf er als beratendes Mitglied an den Sitzungen teilnehmen und auch ein Rederecht wird ihm eingeräumt. Anträge einzureichen und an Abstimmungen teilzunehmen bleiben ihm aber verwehrt. Ganz konkret blieb etwa Dietz’ Gegenstimme zum diesjährigen Haushalt offiziell unberücksichtigt.

Unabhängig davon seien in dem Gremium kaum Frauen vertreten, weisen Dietz und seine linken Mitstreiter hin. Tatsächlich findet sich unter den zwölf Mitgliedern und deren 1. Stellvertretern mit Rita Stäblein (Grüne) lediglich eine einzige Kreisrätin.

Immerhin schränken einige Paragrafen des neuen Gesetzes den Einsatz der Ausschüsse ein: Die „Amtszeit“, in der ein Ferienausschuss einberufen werden kann, ist grundsätzlich auf sechs Wochen pro Jahr begrenzt. Wie man dies bereits von Gemeinde- und Stadträten kennt, fallen diese in der Regel auf die Zeit der Sommerferien im August und September.

Ausschuss-Regelung zunächst nur begrenzt beschlossen

Begründet mit der Corona-Pandemie könnte dieser Zeitraum jedoch auf bis zu drei Monate ausgeweitet werden. Im Landkreis Haßberge wird der Ferienausschuss laut Beschluss des Kreistags in der März-Sitzung beispielsweise dann einberufen, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz am Tag der Ladung bei mehr als 50 Neuinfektionen liegt. Die Regelung gilt zunächst bis Mitte Juni. Auch schwierig dabei: Die Einladungen zu den Sitzungen gehen meist Wochen vor der eigentlichen Versammlung an die Mitglieder des Kreistags. Die Inzidenz könnte also längst wieder gesunken und eine Kreistagssitzung in voller Stärke möglich sein. Sollten die Ferienausschüsse regelmäßig zum Zuge kommen, ist für Thomas Dietzel klar: „Der Wählerwille ist damit aus unserer Sicht nicht mehr abgebildet.“

„Politik vor Ort lebt von kommunaler Mitbestimmung – gerade auch in Krisenzeiten“, so Dietzel weiter. Dabei könne dem Infektionsschutz auch im regulären Sitzungsbetrieb Rechnung getragen werden. Die vergangenen Monate hätten gezeigt, dass Abstand etwa in Turnhallen oder Stadthallen durchaus eingehalten werden könnte – und inzwischen in den meisten Kommunen auch Standard seien. Mit Masken und den nun flächendeckend verfügbaren Schnelltests könnte die Infektionsgefahr zusätzlich minimiert werden. Vorkehrungen, die die Kreisverwaltung übrigens auch bereits nutzt: Schon seit dem vergangenen Jahr hat der Kreistag die Sitzungen vom Landratsamt in den großen Saal des Ganztagesgebäudes im Schulzentrum Haßfurt verschoben. Vor der vergangenen Sitzung im März hatte der Landkreis zudem allen 60 Mandatsträgern einen Schnelltest zukommen lassen. Maske-Tragen ist zudem während der gesamten Sitzung Pflicht.

Umbesetzung der Ausschüsse könnte Situation verbessern

Sollte der Einsatz des Ferienausschusses in Krisenzeiten letztlich eine dauerhafte Lösung werden, spricht sich Dietzel zumindest für eine Umbesetzung des Gremiums aus. Eine, in der auch Kleinstfraktionen wieder ein Mitspracherecht haben. Insgesamt geht es der Linken aber um eine Grundsatzentscheidung. Ein Ausgrenzen einzelner Parteien oder Interessensgruppen im Zuge der Ferienausschüsse ist für viele Parteimitglieder „unzumutbar und unverhältnismäßig“ – daher auch die Klage vor dem Verfassungsgerichtshof in München. Thomas Dietzel bringt es nochmals auf den Punkt: „Wir benötigen in der heutigen Zeit mehr Mitsprache, mehr Mitwirkung – selbstverständlich mit Distanz, aber nicht mit Ausgrenzung.“

Der Ferienausschuss des Landkreises Haßberge

Seit 2021 dürfen auch Landkreise Ferienausschüsse einberufen. Eine entsprechende Gesetzesänderung trat in Bayern am 17. März rückwirkend zum 1. Januar 2021 in Kraft. In der jüngsten Kreistagssitzung verabschiedete der Kreistag entsprechende Änderungen der Geschäftsordnung:

•Im Kreistag Haßberge wird ab dem 1.1.2022 eine Ferienzeit vom 5. August bis 15. September festgelegt. In dieser Zeit kann der Ferienausschuss die Aufgaben des Kreistags übernehmen. Übersteigt die 7-Tage-Inzidenz bis zum 17. Juni 2021 den Wert von 50 am Tag der Ladung, werden die Befugnisse dem Kreisausschuss übertragen.

•Der Ferien-/Kreisausschuss besteht aus folgenden Mitgliedern:

Vorsitz: Landrat Wilhelm Schneider

Mitglieder:

CSU: Steffen Vogel, Michael Ziegler, Alexander Bergmann, Holger Baunacher

WG: Günther Werner, Dieter Möhring

SPD: Jürgen Hennemann, Wolfgang Brühl. Grüne: Harald Kuhn

Junge Liste: Thomas Wagenhäuser

FDP: Harald Pascher

ÖDP: Rainer Baumgärtner

Beratende Mitglieder: Birgit Bayer (WG) und Thomas Dietzel (Linke).

Die Stellvertreter sind auf der Webseite des Landkreises unter www.hassberge.de gelistet.

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