Vor gut hundert Jahren strahlten sie verführerische Exotik aus; eine moderne Frau indes müsste fürchten, sich mit dergleichen lächerlich zu machen, und wird den Zierrat den Diven der Travestie oder Lady Gaga überlassen. Dass die Schöne sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts nackt auf den Bühnen Europas aalte, darf für damals freilich als Sensation gelten - und brachte ihr wahre Schätze ein. Die Last des Alters und der Unansehnlichkeit ersparte der 41-Jährigen am morgigen Sonntag vor hundert Jahren ein französisches Erschießungskommando. Nicht ihr lustvoller Lebenswandel wurde der gefeierten Tänzerin und Kurtisane zum Verhängnis, nicht als Frau Zelle, sondern unterm geheimnisvoll orientalischen Künstlernamen Mata Hari trat sie vor das Peloton, sehr gefasst, wie Augenzeugen berichteten. Als Spionin hatte sie im Auftrag des deutschen Kaiserreichs - Dienstnummer "H 21" - während des Ersten Weltkriegs in Paris hochrangige britische und französische Liebhaber zwischen den Laken ausgehorcht. Ob sie sich dabei umdrehen ließ und gleichzeitig geheime Informationen aus dem Reich an seine Gegner weiterleitete, ist umstritten. Im Lauf der immer wilderen Feindseligkeiten grassierte auf dem ganzen Kontinent die Angst vor Agenten wie eine Epidemie. Bis in die jüngste Vergangenheit bewegte und bewegt das Schicksal Mata Haris die Fantasie der Roman-, Drehbuch- und Bühnen-Autoren. Für viele Kenner am ergreifendsten hat Greta Garbo, "die Göttliche", die Vergötterte in George Fitzmaurices US-Film von 1931 dargestellt. Unbestreitbar, sie sieht darin prima aus.