Coburg - Das Thema Jean Paul und und die Frauen füllt ganze Kapitel in Büchern und gibt mehr als genug Stoff für Leseabende. Wir befinden uns (immer noch) im Jubiläumsjahr zum 250. Geburtstag des Dichters und die Begegnungen Jean Pauls mit den Frauen stand bereits im Mittelpunkt von Veranstaltungen. Der Fokus lag bislang auf dem Dichter, um den zuweilen mehrere Verehrerinnen gleichzeitig kreisten.

Von diesen Frauen, stets adelig und meist unglücklich verheiratet, hebt sich eine besonders ab: Charlotte von Kalb (1761-1843). Auf Einladung der Stadtbücherei Coburg setzt am Dienstagabend die Literaturwissenschaftlerin Ursula Naumann den Reigen der Jean-Paul-Jubiläumsveranstaltungen fort. Mitgebracht hat sie Auszüge aus ihrem im Jahr 2006 erschienenem und mittlerweile vergriffenem Buch "Schillers Königin. Das Leben der Charlotte von Kalb".

Im Rampenlicht steht an diesem Abend also nicht der Dichter selbst, sondern eine der bemerkenswertesten Frauen der Goethezeit, als die sie nicht zuletzt deswegen gilt, weil Charlotte von Kalb unter all seinen Verehrerinnen diejenige war, die es wagte, Jean Paul hinsichtlich seines Frauenbildes entschieden zu widersprechen.

Ursula Naumann, geboren 1945 in Görlitz, arbeitet nach der Lehrtätigkeit an der Universität Erlangen-Nürnberg heute als freie Autorin. In ihrer Lesung skizziert sie zunächst Herkunft und Kindheit von Charlotte, die dem alten Adelsgeschlecht der Marschalk von Ostheims entstammt, früh beide Eltern verliert und deren frühe Leidenschaft das Lesen wird. Jean Paul tritt 1796 in das Leben der Verehrerin und Freundin Friedrich Schillers, die den Dichter aus der Provinzstadt Hof nach seinem plötzlichen Ruhm durch den Roman "Hesperus" nach Weimar einlädt.

Turbulent geht es zu, als Jean Paul eintrifft, der die verheiratete Charlotte noch in Reisekleidern um eine "einsame Stunde" bittet und in den darauffolgenden Tagen unter ihrer Führung auch Herder oder Goethe begegnet. Schnell trüben jedoch Missstimmungen seinen anfänglichen Enthusiasmus, es fällt das "erste zerrüttende Wort, das mir die Kalb sagte und was fortbrannte."

"Charlotte von Kalb erkennt den Narzissmus Jean Pauls, spielt aber weiter mit", formuliert es Ursula Naumann. Dieser wiederum "scheint jede Begegnung mit Charlotte von Kalb literarisch auszuwerten", beeindruckt von einer "exzentrischen Kraft", die den Dichter auch mit unbequemen Ansichten konfrontiert. Zweieinhalb Jahre später will Charlotte von Kalb Jean Paul gar heiraten, mittlerweile 37-jährig und "in einem Anfall von Torschlusspanik", wie es Ursula Naumann nennt. Als Adelige hätte sie sich noch viel eher als eine Bürgerliche eine Scheidung gesellschaftlich leisten können. Doch bekanntermaßen hatte Jean Paul andere Vorstellungen einer passenden Ehefrau, anstelle eines "Raubvogelweibchens" oder einer "Titanidin" wünscht er sich ein "sanftes, einfaches Mädchen". Im Roman "Titan" findet sich Charlotte, die auch selbst schriftstellerisch tätig ist, stattdessen in der Figur der "Linda" wieder. Verarmt und erblindet lebt Charlotte von Kalb ab 1820 in Berlin, wo sie 1843 stirbt.

"Charlotte von Kalb war die Klügste unter den Weimarer Berühmtheiten", urteilt die Autorin abschließend, "dennoch hatte sie keine Möglichkeiten, aus ihrem Leben etwas anderes zu machen. Lebte sie heute, hätte sie mit Sicherheit einen guten Beruf."